Eine Kultur der Liebe

Heute gedenkt die Kirche des Heiligen Pauls VI.. Er war von 1963 bis 1978 römischer Papst, und vor zwei Jahren hat ihn Papst Franziskus heiliggesprochen. Paul VI. war der erste Papst, den ich bewusst erlebt habe. Ich erinnere mich an einen zarten, zerbrechlich wirkenden Mann mit hoher Stimme, von dem mir gesagt wurde, er spreche ein sehr gebildetes, elaboriertes Italienisch.

Den Meisten meiner Generation aber war er eher bekannt als „Pillenpaule“, wie er despektierlich genannt wurde, nachdem er in späten 60ern ein Lehrschreiben über den Wert des menschlichen Lebens und dessen Unverfügbarkeit veröffentlicht und darin auch die künstliche Empfängnisverhütung abgelehnt hatte.

Paul VI. hat mit Nachdruck die Tradition der kirchlichen Lehre verteidigt. Aber mit demselben Eifer hat er die Erneuerung des kirchlichen Lebens angestrebt, um das Evangelium Jesu in unserer Zeit besser, verständlicher und angemessener zu verkünden.

Ihm ist es verdanken, dass das II. Vatikanische Konzil erfolgreich abgeschlossen und die Beschlüsse und Erneuerungen dieses Konzils weltweit umgesetzt wurden. Insbesondere die Erneuerung der Liturgie lag ihm dabei am Herzen. Was sein Vorgänger Johannes XXIII. angestoßen hatte, führte Paul VI. fort, und alles, was uns heute im Gemeindeleben so selbstverständlich ist, geht auf seine Modernisierung zurück. Vor allem die Ökumene und auch der Dialog mit Menschen, die nicht glauben oder der Botschaft Jesu nicht vertrauen können, waren sein besonderes Anliegen. Von ihm stammt der Satz: „Für die katholische Kirche darf niemand ein Fremder sein, niemand ausgeschlossen, niemand weit weg. Prinzipiell sind alle Menschen geliebt, niemand ist von dieser Liebe ausgeschlossen.“ (Predigt zum Abschluss des II. Vatikanischen Konzils, 8.12.1965).

Für mich ist Paul VI. ein wirklich moderner Papst gewesen, dessen Ziel es war, unserer Zeit die frohe Botschaft Jesu so zu sagen, dass die Menschen von heute sie besser verstehen können, auch wenn ihm das vielleicht nicht immer gelang. Die historische Leistung seines Pontifikats gilt es noch zu entdecken. Im heutigen Tagesgebet heißt es:

Gott, du hast dem heiligen Papst Paul, dem eifrigen Apostel des Evangeliums deines Sohnes, die Leitung der Kirche anvertraut. Wir bitten dich: Gewähre uns, dass wir – erleuchtet durch seine Unterweisungen – zur Ausbreitung einer Kultur der Liebe in der Welt mit dir zusammenarbeiten können. …“

Eine Kultur der Liebe war sein Ziel. Sie sollte auch unser Ziel sein.

 

(Geistlicher Tagesimpuls zum 29.5.2020)

 

(Bild: Paul VI., Vatikan, 1963, ©️ gemeinfrei)

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