Dreifaltigkeit: ein bisschen wie Fürst-Pückler-Eis

In der Alten Pinakothek in München hängt ein Gemälde aus dem 15. Jahrhundert von Michael Pacher. Es stellt die vier lateinischen Kirchenväter dar, darunter auch den Heiligen Augustinus und zu seinen Füßen ein Kind mit einem Löffel.

Das spielt auf die Legende an, nach der Augustin am Meeresufer ein kleines Kind gesehen habe, das versuchte, mit einem Löffel das Meer leer zu schöpfen. Als der große Kirchenlehrer dem Kind klarmachen wollte, wie unsinnig es sei, das Meer leer schöpfen zu wollen, habe ihm dieses Kind entgegnet: Ebenso unsinnig, wie wenn Augustin versuche, erschöpfend zu verstehen, was die Trinität sei, und das den Menschen erklären wolle.

Heute ist Dreifaltigkeitssonntag, und ich versuche jetzt das Gleiche, was Augustinus versucht hat.

Also: Mit dem Begriff Trinität, zu deutsch Dreifaltigkeit, versuchen wir Christen das Wesen Gottes zu beschrieben, also wie Gott ist; nicht wer er ist, nicht was er ist, sondern wie er ist! Gott ist drei und eines, dreifaltig und einer.

Das übersteigt unsere Vorstellungskraft bei weitem, und den allermeisten ist das auch ziemlich egal. Denn die werden es mit Goethe halten, der einmal sagte: „Ich glaube an Gott und die Natur und den Sieg des Edlen über das Schlechte; aber das war den frommen Seelen nicht genug, ich sollte auch glauben, dass drei eins sei und eins drei; das aber widerstrebte meinem Wahrheitsgefühl, und ich sah nicht ein, dass mir damit auch nur im mindestens geholfen wäre“ (Gespräch mit Eckermann 4.1.1824).

Auch innerhalb der christlichen Kirchen wird die Trinität heute höchst selten thematisiert. Angenommen es gäbe heute einen päpstlichen Erlass, nach dem die Trinitätslehre als falsch ausgemerzt werden müsste, dann könnte wohl der allergrößte Teil der religiösen Literatur völlig unverändert bestehen bleiben (vgl. Karl Rahner, in: Mysterium Salutis, Bd. II, S. 319f.). Sich mit der Trinität zu beschäftigen, scheint also etwas für Spezialisten zu sein. Für uns gewöhnliche Christen kommt sie allenfalls im Kreuzzeichen vor und in der Taufformel und in Gebeten, wenn wir sagen: „Im Namen Gottes, des Vater, des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Aber wie man sich das konkret vorstellen soll, scheint für unseren Christenalltag eigentlich unerheblich. – Wie aber soll man sich denn nun die Dreifaltigkeit vorstellen?

Ein jungen Kaplan verglich die Dreifaltigkeit gern mit dem Fürst-Pückler-Eis: Ein Eis, das aus drei Eissorten besteht: Schokolade, Vanille, Erdbeere; alle drei jeweils eigene Eissorten, auch als solche getrennt erkennbar; jede für sich, aber vereinigt in ein Eis. Und wenn man sie trennen würde, wäre es eben kein Fürst-Pückler-Eis mehr. Dreifach und eins. Ein schönes Bild, finde ich!

Aber auch dieses Bild hat einen Fehler. Denn auch es macht die Dreifaltigkeit Gottes gegenständlich. Aber “Gott ist unkörperlich, immateriell, unwahrnehmbar, jenseits von Menge und Umschreibung, jenseits von Form und Gestalt” (Meister Eckhart). Auch wenn wir z. B. sagen, es seien drei Personen, ist das ein Stück weit verwirrend, denn wenn wir an Personen denken, können wir gar nicht anders als an Menschen zu denken, also wieder an drei Gegenstände, nur eben Lebewesen.

Trinität ist aber nicht gegenständlich. Ursprünglich ist Trinität überhaupt keine Glaubensformel, kein Glaubenssatz, keine Doktrin oder gar Ideologie, sondern ein Ereignis, eine Erfahrung. Es ist die Erfahrung, dass Gott, der Vater, durch seinen Sohn Jesus Christus in dem von ihm vermittelten Geist auf uns Menschen zugegangen ist, sich uns Menschen ganz und gar mitgeteilt hat, geöffnet hat, geoffenbart hat (vgl. Jürgen Werbick, in: Handbuch der Dogmatik, 1992, Bd. II, S. 481ff. ).

Für uns Christen bedeutet das Wort „Gott“ nicht nur eine höhere Wirklichkeit, ein Absolutes. Gott ist also kein Supervater, der „weit überm Sternenzelt“ geblieben ist. In Jesus Christus hat Gott ein Gesicht bekommen, und im Heiligen Geist sagt er uns fortwährend seine Nähe zu; dass er anwesend ist, dass er da ist, jetzt und immer, und zwar als Liebe.

Gott selbst ist Liebe. Aber Liebe ist immer Beziehung, Begegnung, liebende Beziehung. Einsame Liebe ist widersinnig. Gott ist nicht einsam, allein, irgendwo. Er wurde in Jesus Mensch, um uns sein menschliches Gesicht zu zeigen, damit wir ihn verstehen und seine Liebe teilen können. Und Jesu ganze Existenz war: Dasein für andere – Pro-existenz, wie die Theologen sagen. Er wurde für uns Mensch, damit Gott sich ein für alle Mal mitteilt. Und damit wir in Beziehung zu ihm treten können, gibt er uns seinen Geist – den Geist der Liebe.

Liebe als Wesen Gottes, verströmende, nie endende Liebe! Und wir Menschen sind in diese Liebesgemeinschaft Gottes einbezogen, und zwar so, dass wir vom Vater, dem Urgrund allen Seins, getragen sind und von unserem Bruder Jesus auf den Wegen unseres Lebens und Sterbens begleitet sind und vom Heiligen Geist auf die göttliche Liebe hin geöffnet sind. Diese Erfahrung göttlicher Liebe ist Dreifaltigkeit, Liebe des Vaters, Liebe des Sohnes, Liebe des Geistes.

Das aber hat ganz konkrete Folgen für unser Leben als Christen: Ich kann nicht für mich allein Christ sein. Es darf mir nicht allein um mein Seelenheil gehen. Meine Existenz als Christ muss ebenso Proexistenz, Dasein für andere, sein. In einem sehr alten Gebet heißt es:

Gott hat keine Hände, nur unsere Hände,
um seine Arbeit heute zu tun.
Er hat keine Füße, nur unsere Füße,
um Menschen auf seinen Weg zu führen.
Gott hat keine Lippen, nur unsere Lippen,
um den Menschen von ihm zu erzählen.

Wir Christen sollten diejenigen sein, die den Menschen von diesem Gott, der nichts anderes ist als liebende Beziehung, vollkommene dreifaltige Liebe, erzählen. Und zwar nicht mit gelehrten Worten, sondern ganz einfach durch unser Leben, durch die Art, wie wir leben, ganz einfach jeden Tag. Amen.

 

(Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag, 7.6.2020, in Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf)

(Foto: ©️ gemeinfrei)

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