“Meine Augen haben das Heil gesehen”

Lk 2,22-40

Denn meine Augen haben das Heil gesehen.“ Das sagt der greise Simeon über Jesus. Er erkennt: Dieses Kind, Jesus, ist der Messias, auf den das Volk so lange gewartet hat, der endlich gekommen ist, um die Königsherrschaft zu übernehmen, die Tyrannen zu stürzen und alle Verheißungen und Hoffnungen der Juden zu erfüllen. Aber er nennt ihn nicht Messias, Christus. Er nennt ihn den Retter, das Heil. Christus ist derjenige, der uns rettet, der uns Heil, Heilung, bringt.

Das deutsche Wort „Heil“ drückt eigentlich sehr schön aus, was gemeint ist, auch wenn es durch die deutsche Geschichte belastet ist:

Heil zu werden heißt ganz zu werden. Etwas, das zerbrochen ist, wird heil, wenn es wieder ganz wird. Das gilt für Gegenstände, aber auch für uns Menschen. Wir alle haben Brüche und Wunden. Wir Menschen haben diese Brüche auch, weil wir uns nicht selbst vergeben können. Ein schönes afrikanisches Sprichwort sagt: Das Wort, das dir hilft, kannst du dir nicht selbst sagen. Ich brauche ein Du, ein Gegenüber, jemand, der es mir zuspricht. Für uns Christen ist dieser Jemand Christus.

Er ist das Heil, das uns hilft, unsere Brüche zu heilen, indem er uns sagt: Du bist ein geliebtes Kind Gottes, und nichts, gar nichts in dieser Welt kann dich von dieser Liebe trennen.

Wenn ich diese Liebe annehme – und ich weiß, wie schwer das ist, und sie anderen weitergebe, werde ich heil. Dann kann ich auch selbst zum Heil für andere werden. Meine Augen haben das Heil gesehen“, Jesus Christus, der Heiland, der uns an Weihnachten geschenkt wurde.

Wir leben in schwierigen Zeiten. Viele von uns haben Sorgen und Angst, wie es weitergeht. Jesus macht unser Leben heil; egal, was kommen mag. Das heißt nicht, dass ich sorglos sein soll, oder die Sorgen der Zeit nicht ernst nehmen muss. Natürlich müssen wir das. Natürlich müssen wir achtsam und wachsam sein – und alles vermeiden, was anderen schaden könnte.

Aber wenn ich weiß, dass Jesus mein Heil ist, mein Retter, dann kann ich letztlich meine eigene Lebensgeschichte in einem neuen Licht sehen, so wie Simeon, und die Verheißung erkennen, die darin steckt. Dann kann ich ganz auf Jesus setzen und ihm letztlich mein Leben anvertrauen – und auch meinen Tod.

(Predigt am Fest der Heiligen Familie, 27.12.2020, Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf)

Bild: Giovanni Bellini: “Nunc Dimittis”, gemeinfrei aus: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Giovanni_Bellini_-_Nunc_Dimittis_-_Madrid_Thyssen.jpg?uselang=de

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