Welche Früchte bringe ich?

Video

Evangelium

Es gibt angenehmere, gefälligere, Stellen im Evangelium als die hier. Da ist von unschuldigen Opfern die Rede und vom Baum, der ausgerissen werden soll und davon, dass alle sterben; und von Umkehr ist die Rede. Ist das wirklich eine frohe Botschaft?

Immer, wenn ich dieses Evangelium höre, stelle ich mir die Frage: Meint er das wirklich so? Wir sterben, wenn wir uns nicht bekehren; also wir sterben, weil wir uns nicht bekehren? Könnte man ja schließen aus dem, was da steht. Und wie oft wurde genau das von den Kanzeln herab gepredigt: Dass Gott diejenigen bestrafen werde, die sich nicht bekehren oder, wie es in der Luther-Übersetzung heißt: Buße tun. Und was für Folgen hatte dieses Bild eines strafenden Gottes? Wie viele Menschen wurden damit in tiefste Ängste gestürzt – bis hin zu massiven psychischen Schäden? Und bei wie vielen Christen wurde gerade dadurch eine Reifung des Glaubens verhindert, so dass sie zeitlebens “an magischen, meist angstbesetzten, Vorstellungen hingen, ja diese sogar vehement als den angeblich wahren Glauben verteidigten” (vgl. Stefan Jürgens; Von der Magie zur Mystik. Der Weg zur Freiheit im Glauben, Ostfildern, Patmos-Verlag, 2. Aufl, 2021, S. 7).

Aber Jesus macht keine Angst. Jesu ist Realist. Natürlich weiß er, dass wir alle sterben werden. Ausnahmslos! Aber es kommt doch darauf an: in welchem Zustand, in welcher Hoffnung, in welcher Erwartung. Denn darum geht es hier: um Hoffnung; um Leben; darum, welches Ziel unser Leben hat. Dann ist aber nicht egal, wie wir unser Leben führen. Könnte man meinen, wenn man sowieso stirbt. Und viele denken heute ja so: Ist eh irgendwann alles aus, also kommt’s nicht darauf an, ob ich hier auf Kosten anderer lebe. Hauptsache mir geht’s gut!

Dagegen setzt Jesus das Gleichnis vom Baum und den Früchten. Denn natürlich geht es Jesus darum, welche Früchte mein Leben bringt. Welche Früchte bringe ich? Welche Früchte bringen wir – als Menschen; als Christinnen und Christen; als Kirche. Bin ich nur für mich selbst da? Sind wir für uns selbst da? An dieser Frage entscheidet sich buchstäblich alles. Fangen wir mal mit der Kirche an:

Nachdem jetzt in Deutschland über den synodalen Weg der Kirche beraten wird, hat Papst Franziskus sogar einen synodalen Prozess für die Kirche weltweit initiiert.

Zur Eröffnung des Synodalen Prozesses sagte der Papst: Wir wollen keine andere Kirche; aber wir wollen eine Kirche, die anders ist; „diversa“ sagte er wörtlich: verschieden. Keine andere Kirche, aber eine Kirche, die anders, verschieden, ist: eine Kirche, die die Perspektive wechselt. Eine Kirche, die nicht für sich selbst da ist; eine Kirche, die – gerade in Zeiten der Missbrauchsaufklärung – auf eine sehr feinfühlige Weise versucht, den Menschen nahe zu sein; eine dienende Kirche. Diese Kirche ist und bleibt die Kirche Jesu. In ihm hat sie ihren Grund. Aber sie besteht nun mal aus sehr menschlichen Teilen – aus uns! Und wir können so sein oder anders; nur für uns selbst da sein oder für andere; barmherzig oder unbarmherzig; zärtlich oder lieblos. Und je nachdem, ob wir so sind oder anders, bringen wir Früchte oder nicht. Nicht Früchte für uns selbst! Früchte sollen wir für andere bringen; jede und jeder von uns – ausnahmslos! Es geht um‘s Für einander da sein.

Genau das sagt uns heute im Evangelium das Wort „umkehren“: „wenn ihr nicht umkehrt!“ (Lk 13, 3 und 5). Metánoein steht da im Griechischen. Wörtlich übersetzt heißt das so viel wie: weiter denken; den Blick umwenden, die Perspektive wechseln; von sich selbst weg-sehen und die Anderen in den Blick nehmen; sich ihnen zu-wenden und sie aufrichten. Das meint hier Umkehr. Und zwar nicht nur theoretisch und deklaratorisch, sondern ganz konkret; im Alltag; im ganz Kleinen: für andere da sein, liebevoll und barmherzig. So dass Liebe und Barmherzigkeit zum Letztkritierium für alles werden, schlechthin alles; auch für unseren Umgang miteinander; auch innerhalb der Kirche; auch wie wir diese Kirche organisieren.

Nur wenn wir so umkehren, bringen wir Früchte; nur dann haben wir eine Zukunft und werden leben – als Einzelne wie als Kirche.

Wer schon einmal einen Baum gepflanzt hat, weiß, wie lange es dauert, bis der auch nur eine Frucht bringt. Ich hoffe, wir haben die Zeit, und wir geben uns die Zeit, und wir geben einander die Zeit, zu reifen und Früchte zu bringen. Und dass da jemand ist, der uns düngt; und immer wieder den Boden unserer Hartherzigkeit auflockert; und der Vertrauen in uns hat; ja der uns niemals aufgibt, darauf baue ich. Darauf setze ich absolut.

Der Herr festige in uns das Vertrauen auf seine Hilfe; darauf, dass er genau so ist wie der Winzer hier im Evangelium, und genauso stärke er uns, jede und jeden, darin, unseren Blick von uns selbst wegzuwenden, weiter zu denken, für Andere da zu sein und so Boten seiner Liebe zu werden und Früchte zu bringen.

 

(Predigt zum 3. Fastensonntag am 19.3.2022 in Christkönig, Berlin-Lübars, und am 20.3.2022 in Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf, und St. Hildegard, Berlin-Frohnau); bereits vorgetragen beim Herbsttreffen der Ständigen Diakone des Erzbistums Berlin am 23.10.2021 (s.u.).

Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Teachings_of_Jesus_36_of_40._parable_of_the_fig_tree._Jan_Luyken_etching._Bowyer_Bible.gif

Schreibe einen Kommentar