Kommt Gott in meinem Leben vor?

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Evangelium 

Wir Menschen haben ein großes Bedürfnis nach Sicherheit, nach Gewissheit. Die Anthropologie nennt das unser „Unbehaustsein“, weil wir nicht wie Schnecken unser Haus ständig bei uns tragen; weil wir verletzlich; ungeschützt sind. Schon rein körperlich: Wir Menschen haben nicht so ein dickes Fell wie andere Tiere. Aber auch im übertragenen Sinn: Wir Menschen müssen unsere Existenz absichern, weil wir wissen, dass uns jede Sekunde unseres Lebens das Ende droht. Deshalb wollen und müssen wir Vorsorge treffen.

Und am letzten Sonntag haben wir im Gleichnis vom reichen Kornbauern gehört, wie Jesus nicht etwa es verurteilt, sich zu sorgen; Vorsorge zu treffen; sich ums eigene Wohlergehen zu kümmern, aber doch sehr eindringlich davor warnt, alles auf diese materielle Sicherheit zu setzen; sein ganzes Lebensglück; den Sinn des eigenen Lebens. Und heute zeigt er uns – hier im Evangelium – quasi seinen Gegenentwurf dazu: Jesus erzählt hier ein Gleichnis, eine Geschichte, die in der bäuerlichen Welt des Vorderen Orients seiner Zeit gut verstanden wurde. Wir heute haben eher Probleme, sie zu verstehen.

Aber diese ganze Geschichte vom Herrn, der zurückkommt und seine Knechte bei der Arbeit vorfinden will, und nicht dabei, dass sie die anderen schlagen, oder vom Herrn, der von einer Hochzeit zurückkommt und seine Knechte wach antreffen will, oder vom Herrn des Hauses, der nicht weiß, wann der Dieb kommt, das alles läuft doch letztlich auf eines hinaus: Bin ich in meinem Leben – und wir können das leicht auf unseren eigenen Alltag übertragen – aufmerksam auf das, was Gott von mir will? Spielt das für mich eine Rolle? Spielt Gott eine Rolle in meinem Leben, oder tut er das nicht? Diese Frage stellt sich mir immer wieder, und natürlich je älter ich werde, umso mehr. Kommt Gott in meinem Leben vor? Und zwar mehr, als dass ich am Sonntag in eine Messe gehe, oder nicht.

Kommt Gott in meinem Alltag vor Dummerweise fragt uns Jesus das hier eben in einem Beispiel, das heute von vielen leider gar nicht mehr zu verstehen ist. Wenn hier von Herren und Knechten die Rede ist, und den Erwartungen, die der Herr hat und die die Knechte zu erfüllen haben, dann schalten heute die meisten natürlich ab. Denn mit ihrer Lebensrealität hat das ja nichts mehr zu tun. Sich Gott als den Gutsbesitzer vorzustellen und uns selbst als seine Lohnknechte, ja seine Sklaven (denn im Original steht das Sklave), das ist eine Sprache, die heute Menschen nicht mehr erreichen kann, und die vielleicht mehr verdunkelt als erhellt. Leider ist das gerade in der Kirche heute so oft ein Problem, dass wir eine Sprache sprechen, die mehr verdunkelt als erhellt.

Umso wichtiger bleibt hier das konkrete Anliegen Jesu: Kommt Gott in meinem Alltag vor? Spüre ich seine Gegenwart in meinem Leben? Bin ich wachsam? Bin ich bereit? Was Jesus hier sagt, sagt er ja zu seinen Jüngern; also zu denen, die ihm nachfolgen wollen; also zu uns Christen heute, müssten wir sagen. Also gilt seine Frage auch uns: Sind wir bereit? Sind wir bereit zu tun, was Gott von uns will? Was er von uns erwartet? Aber vorher: Was erwarten wir denn von Gott? Erwarten wir, dass er unser Leben begleitet; ja sogar, dass er unser Leben führt; oder erwarten wir; dass er uns lieber in Ruhe lässt? Dass wir unser Leben so führen können, wie wenn es ihn nicht gäbe. Was er von uns erwartet, ist ganz leicht: Denn ganz am Anfang des Gleichnisses kommt ein Satz vor, der oft untergeht in diesem langen Text. Da steht: „Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt. Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen.“ (Lk 12,37)

Der Herr ist es, der bedient. Er ist der Diener aller. Nicht wir sind seine Diener; er will unser Diener sein. Er erwartet von uns nur, dass wir uns von ihm bedienen lasse; dass wir dazu bereit sind. Im Griechischen steht da mein Lieblingswort, natürlich: diákonein, dienen. Der Herr will unser Diakon sein. Und er ist es wirklich. Nicht wir sollen ihm dienen, er will uns dienen. Dazu sollen wir bereit sein. Wir sind Diener nur, indem wir ihm nachfolgen und es genauso machen wie er. Indem wir nicht allein für uns selbst da sind, sondern – wie er – ganz die anderen da sind. Indem ich mein eigenes Ich überschreite auf den anderen hin, so wie Jesus es tat, gewinnt meine Existenz dann auch das Glück, den Sinn, die Sicherheit, von der wir am Anfang gesprochen haben.

Noch etwas gewinnen wir: Indem wir ihn in unserem Leben erkennen, gewinnen wir Hoffnung. Nämlich die Hoffnung, dass unser Leben nicht allein von uns geführt werden muss, sondern dass er für uns da ist, in unserem Leben und in unserem Sterben, ganz da für uns ist.

Dietrich Bonhoeffer hat einmal gesagt: „Wir werden uns einstmals nicht unserer Hoffnung zu schämen haben, sondern unserer ärmlichen und ängstlichen Hoffnungslosigkeit, die Gott nichts zutraut, die in falscher Demut nicht zugreift, wo Gottes Verheißungen gegeben sind“, eben, dass er für uns da ist.

(Predigt am 19. Sonntag zum Jahreskreis C, 6.8.2022 in Christkönig, Berlin-Lübars, und am 7.8.2022 in Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf, und St. Hildegard, Berlin-Frohnau)

Bild: Jesus und Menas: Ikone der Freundschaft https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/59/Kristus_a_svatý_Menas.jpg

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