Geliebte Kinder Gottes

Evangelium

Feiern Sie Ihren Tauftag, und wissen Sie, den Tag Ihrer Taufe? Ich bin am 19. April getauft. Das weiß natürlich auch nur, weil man es mir gesagt hat. Wie die allermeisten Christen bin auch ich wenige Wochen nach meiner Geburt getauft worden.

Den Geburtstag feiern wir, früher wurde in katholischen Familien auch der  Namenstag gefeiert, aber den Tauftag? Warum sollte der wichtig sein?

Ich wage zu behaupten, dass es so ziemlich das Wichtigste in unserem Leben als Christen ist. Warum? Weil getauft zu sein uns aller erst zu Christinnen und Christen macht, weil getauft zu sein unsere höchste Würde als Christen ausmacht.

Früher haben wir gelernt, dass nur jemand, der getauft ist, überhaupt die Chance hat, das ewige Heil zu erlangen. Das würde man heute so nicht mehr sagen. Gott sei Dank!

Übrigens wage ich mir gar nicht vorzustellen, wie viele Menschen in tiefstes Unglück gestürzt wurden, weil zum Beispiel ihr Kind starb, bevor es die Möglichkeit hatte, getauft zu werden? Oder wie viele verzweifelt waren, dass sie viele anständige Menschen kannten, die aber nicht getauft waren, und von denen sie annehmen mussten, dass sie der ewigen Verdammnis anheimfielen?

Es war Joseph Ratzinger, der genau dem widersprochen hat. Als der noch jung war, genauer 1964, hat er Predigten gehalten, in denen betonte, dass es auch außerhalb unserer Kirche viel an Güte und Wahrheit, ja Heiligkeit gebe. So wie es kurz zuvor das II. Vatikanische Konzil festgestellt hatte. Und dass deshalb jede Art von Herabsetzung anderer dem Geist Christi widerspreche (vgl. Nostra Aetate 5). Ratzinger war also davon überzeugt: Wer nicht getauft ist, ist keineswegs von der Liebe Gottes ausgeschlossen. Aber warum dann noch die Taufe?

Weil sie uns zwar nicht den Platz im Himmel garantiert, aber doch den Weg zeigt zu unserem Heil. Und was ist unser Heil? Zu wissen, dass wir geliebt sind, Gottes geliebte Kinder sind. Die Taufe ist also ein Zeichen, ja das erste Zeichen in unserem Leben, dass Gott uns als seine geliebten Kinder annimmt, ja immer schon angenommen hat. So wie wir es heute im Evangelium von der Taufe Jesu hörten. Und dass dem so ist, dass Gott sich uns zuwendet und uns quasi nachläuft, das sollen wir in der Taufe erfahren.

Wir Menschen sind geliebte Kinder Gottes. Wir haben Anteil an ihm durch Jesus, und wir müssen nichts anderes tun, als Jesu Weg mitzugehen.

Denn die Taufe ist ja nicht nur für uns selbst da. Durch sie sollen wir selbst zu Zeichen seiner Liebe werden und lernen, ganz für den anderen da zu sein, ihnen so begegnen wie er uns begegnet: Liebevoll! Barmherzig!

Wenn wir also die Taufe Jesu feiern, dann können wir dabei auch an unsere eigene Taufe denken und die Zusage, dass wir Gottes geliebten Kinder sind, egal wer wir sind und was wir sind.

Joseph Ratzinger, der damals diese Predigten gehalten hat, sagte über die Taufe, sie sei „der Regenbogen Gottes über unserem Leben“ (Benedikt XVI.: Freut euch! Predigten und Meditationen zur Weihnachtszeit, 2007, S. 98), weil sie uns wie der Regenbogen nach der Sintflut daran erinnern kann, dass Gott seinen Bund mit uns niemals aufheben wird und seine Liebe zu uns niemals endet (vgl. zum Ganzen: Ders.: Vom Sinn des Christseins. 2005, S. 40 ff.).

Daran musste ich wieder denken, als sie Benedikt XVI. letzten Donnerstag zu Grabe getragen haben. Ich weiß nicht, ob Sie die Bilder gesehen haben. Über dem Petersplatz lag am Donnerstagmorgen Nebel, und die Kuppel des Petersdomes war am Anfang noch gar nicht zu sehen. Aber im Verlauf der Begräbnisfeier lichtete sich dieser Nebel immer mehr, und immer mehr war das Blau des Himmels zu sehen und die Strahlen der Sonne. Ich empfand das wie ein Zeichen. Natürlich stand Papst Benedikt in der Kritik – gerade hier in Deutschland –, und die kritische Auseinandersetzung mit ihm wird sicher weitergehen, und muss weitergehen. Aber für mich war er seit frühester Jugend an einer, der mir – wie so vielen weltweit – die Ahnung der göttlichen Herrlichkeit und Liebe wie durch einen Nebel hindurch lichtete (vgl. auch Willibert Pauels, Wort zum Samstag, 7.1.23, in: https://youtu.be/CIaN0Rt-oQI).

Ich habe wahrscheinlich von keinem Theologen so viel gelesen wie von ihm, und er hat ja auch viel geschrieben. Aber alles, was er schrieb und dachte, kann man sicher zusammenfassen mit den Worten, die er am Ende seiner Predigt zur Amtsübernahme sagte: „Wir sind nicht das zufällige und sinnlose Produkt der Evolution. [Jede und] jeder von uns […] ist gewollt, […] ist geliebt […] Es gibt nichts Schöneres als vom Evangelium, von Christus, gefunden zu werden. Es gibt nichts Schöneres, als ihn zu kennen und anderen die Freundschaft mit ihm zu schenken.“ (Homilie in der Messe zur Übernahme des Papstamtes, 24.4.2005).

Wenn es stimmt, dass seine letzten Worte waren: „Herr, ich liebe Dich“, dann fasst das sein Christsein und unser aller Christsein in vier Worten zusammen, und ebenso sind wir vom Herrn geliebt. Wir sind wirklich Gottes geliebte Kinder.

(Predigt in den Wort-Gottes-Feiern zum Fest der Taufe des Herrn am 7.1.2023 in Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf, und St. Hildegard, Berlin-Frohnau)

Bild: Wikimedia Commons https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8e/The_Baptism_of_Christ_%28Verrocchio_%26_Leonardo%29.jpg

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