Wieder sind wir angekommen in den hohen Woche vor Ostern, der wichtigsten im Jahr von uns Christen, und wieder feiern wir Jesu Abschiedsmahl mit seinen Jüngern. Wir haben es in der 2. Lesung wieder gehört – wie jedes Jahr! Und wie jedes Jahr feiern wir während der nächsten drei Tage wieder Leiden, Tod und Auferstehung unseres Herrn. Wie jedes Jahr – immer wieder! Und dass wir das jedes Jahr wiederholen, bekommt leicht etwas Rituelles, etwas Folkloristisches und auch Museales, weil man das halt so macht. So als ob wir die Vergangenheit nachspielen, um uns daran zu erinnern, was vor fast 2000 Jahren, in ferner Vergangenheit, an einem fernen Ort geschah.
Das historische Ereignis ist vergangen. Richtig! Aber geht es hier wirklich nur ums historische Gedächtnis? Um die bloße Erinnerung? Sind wir hier in einem Museum? Wie oft hat man in der Kirche den Eindruck, hier werde einfach nur an Vergangenes erinnert? Und wie viele Menschen heute finden gerade deshalb keinen Zugang, weil sie denken: Das ist doch etwas von Vorgestern? Das hat doch mit mir heute nichts zu tun. Hätte die historische Erinnerung allein wirklich Bedeutung – für uns heute, für uns moderne, aufgeklärte Menschen im 21. Jahrhundert?
Im Hochgebet wird an diesem Abend ein Satz eingeschoben, der sonst nicht vorkommt: „Das ist heute.“
Und wieder könnte man meinen: Na klar, als Erinnerung, dass das eben genau heute vor 1990 Jahren passiert ist, und wir spielen es irgendwie nach und erinnern uns daran. Ich finde aber: Diesen Satz im Hochgebet sollten wir ernst nehmen. Nicht wörtlich nehmen! Ernst nehmen! Denn nur so hat das, was wir hier tun, doch überhaupt eine Bedeutung für uns. Als historisches Faktum ist das ja ganz interessant zu wissen. Aber mehr auch nicht. Es bliebe eine ferne Vergangenheit. Doch das, was wir hier feiern, ist keine Vergangenheit.
Ostern ist nie Vergangenheit. Das ist heute.
Jesus feiert auch mit uns sein letztes Mahl Er wäscht auch uns die Füße. Er liebt auch uns. Er ist und bleibt für uns Menschen da, gestern und heute und morgen. Wenn wir feiern, dass uns Jesus an diesem Abend die Eucharistie geschenkt hat, dann doch nicht, damit wir uns dran erinnern, wie es einmal war, so wie Märchen beginnen: Es war einmal. Das hier ist kein Märchen. Das ist auch kein Zauber. Das ist einzig und allein: Danksagung für das, was Jesus für uns tut. Danksagung – Eucharistie!
Und wenn wir heute feiern, dass Jesus seinen Jüngern wie ein Sklave die Füße wäscht, dann doch nicht, um daran zu erinnern: Ja, der war schon toll, der hat sich ganz klein gemacht und einen Sklavendienst verrichtet. Nein! Jesus sagt uns: Ein neues Gebot gebe ich euch: Tut das, was ich tue! Lasst euch von mir die Füße waschen und dann wascht sie einander! Geht den Weg, den ich gehe! Den Weg der Hingabe für die Anderen.
Diesen Weg Jesu gehen wir nicht dann mit, wenn wir möglichst feierlich, möglichst bombastisch, an Vergangenes erinnern, sondern dann, wenn wir die Not unserer Mitmenschen sehen, und uns durch den Dienst die Augen öffnen lassen für das, was Gott für uns tut und wie er uns liebt (vgl. Benedikt XVI: Deus caritas est, 18.) Denn nur dann werden wir frei von der Angst um uns selbst.
Und die Jünger? Petrus steckt da ganz in seinem Hierarchiedenken: Jesus, der Meister, mir die Füße waschen? Der weiß da noch nicht, dass wir einen Gott haben, der sich bückt. Diese Hingabe Jesu bis zum Tod hat echte Konsequenzen – auch für uns heute. Was für Konsequenzen hören wir am Karfreitag.
(Predigt in der Messe vom letzten Abendmahl, Gründonnerstag, 6.4.2023, Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf)