„Simon von Zyrene hat seine Arbeit getan, er ist auf dem Weg nach Hause und begegnet dem traurigen Zug der Verurteilten – für ihn sicher ein gewohnter Anblick. Die Soldaten machen von ihrem Recht der Zwangsverpflichtung Gebrauch und legen dem … [Simon] das Kreuz eines der Verurteilten auf. Welcher Widerspruch muß sich in ihm geregt haben, daß er plötzlich mit in das Schicksal von Verurteilten verwickelt wurde! Er tut, was er muß, widerstrebend gewiß.“ (Ratzinger)
So muss man sich die Szene wohl vorstellen, die uns in den Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas überliefert ist – dort allerdings in ganz wenigen Worten. Denn viel mehr wissen wir über diesen Simon von Kyrene nicht.
Wir wissen nur: Er war der, der mitging, ein Stück das Kreuz trug. Wir wissen auch, dass er aus der Kyrenaika stammte, also aus Nordafrika, dass er also ein Diasporajude war. Auch dass er gerade vom Feld kam, wissen wir. Im Markus-Evangelium werden auch die Namen seiner Söhne genannt. Es sind, im Gegensatz zu Simon, keine jüdischen Namen: Alexander und Rufus heißen seine Söhne. Und dass sie an dieser Stelle überhaupt genannt werden, lässt darauf schließen, dass die Söhne dann wohl der jungen Gemeinde der Christen bekannt waren, denn für die war das Evangelium ja geschrieben. Dass die römische Besatzungsmacht das Recht hatte, Juden zur Dienstleistung zu zwingen, auch das wissen wir. So wie den Simon, der dem verurteilten Jesus helfen soll, das Kreuz zu tragen.
Dies wenige wissen wir. Aber ist es das, worauf es ankommt? Ist das die Botschaft der Bibel, die Botschaft an uns, die wir heute dieses Evangelium hören? Das bisschen?
Wenn wir diese Worte hören, wirklich hören, mit einem offenen Herzen, dann geht es doch gar nicht um das bisschen, was wir über diesen Simon von Kyrene wissen können. Es geht um den Simon, natürlich, es geht um Jesus, natürlich, und es geht doch um uns. Wenn wir die Botschaft des Evangeliums mit einem offenen Herzen hören, geht es doch immer um uns – um Dich und mich!
Und dann sagt uns dieses Evangelium: Simon von Kyrene: das bin ich!
Viele Bibelwissenschaftler sagen uns: Aus dem wenigen, was wir über den Simon wissen, können wir schließen, dass auch er sich der jungen Gemeinde angeschlossen hat, dass er Christ wurde. Ich würde allerdings sagen: Dazu brauchen wir gar nicht viel wissenschaftliche Exegese. Denn der Text spricht doch schon für sich. Bei dem, was hier erzählt wird, geht es doch nicht bloß um einen historischen Bericht. Hier geht doch um nichts anderes als ums Christsein. Darum steht das ja hier! In den biblischen Erzählungen geht es doch nie bloß um den Bericht historischer Ereignisse, es geht doch immer vor allem um uns und unsere Beziehung zu Jesus, um unser Christsein. Und da frage ich mich: Woran erkennt man denn unser Christsein, woran erkennt man denn uns als Christen?
Natürlich an der Taufe, könnte man jetzt antworten. Das ist selbstverständlich völlig richtig: Christen sind Getaufte! Durch die Taufe werden wir zu Christinnen und Christen. Sie ist unsere höchste Würde!
Aber woran erkennt man Christen noch? Daran, dass sie das Apostolische Glaubensbekenntnis unterschreiben können oder vielleicht sogar das große! Auch das ist natürlich völlig richtig.
Aber was macht uns als Christen denn wirklich aus? Dass wir wie dieser Simon sind. Dass wir mit-tragen, das Kreuz, wenigstens ein Stück. Zu Christen werden wir doch dadurch, dass wir für andere da sind, dass wir in denjenigen, die uns begegnen, wirklich diesen Jesus erkennen, dem der Simon das Kreuz getragen hat. Täglich begegnen uns doch Situationen, in denen Menschen unsere Hilfe brauchen, und sei es nur im ganz Kleinen. Und dass wir uns dann nicht drücken, so gern wir es manchmal auch täten, sondern dem Anderen helfen, ja dienen. Nur wenn wir der- oder dem Anderen wirklich so begegnen, folgen wir Jesus nach.
Wenn wir wie Simon mit denjenigen, die in Not sind, mitgehen und wenigstens einen Teil ihres Kreuzes mittragen, und sei es auch noch so widerwillig, nur wenn wir für sie da sind, wenn wir Anderen dienen, folgen wir Jesus und seiner Botschaft an uns. Darum geht es hier.
Und das gilt natürlich ganz besonders auch für die Kirchen. Denn nur eine dienende Kirche dient ja überhaupt zu etwas. Die Kirche ist nicht für sich selbst da, sondern immer nur für andere. Papst Franziskus hat das einmal sehr schön so zusammengefasst:
Was wir in der Kirche brauchen? Die Fähigkeit, „die schmutzige Hand anzufassen und [demjenigen, der in Not ist,] in die Augen zu schauen. Und zu denken: Für mich bist du Jesus. … Wenn du aber denkst, ich gehe raus und erkläre diesen Dummköpfen, was Religion ist, dann ist es besser, du bleibst zu Hause und betest den Rosenkranz!“ (Papst Franziskus).
Die Botschaft dieses Evangeliums über den Simon von Kyrene ist für mich ganz einfach:
Geh mit dem, der in Not ist, mit, dann gehst du mit Jesus mit! Und wenn das bedeutet, sein Kreuz mitzutragen, dann mach es, wie für einen Freund. Denn er ist dein Freund. Er ist dein Bruder und deine Schwester.
Anmerkungen:
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Papst Franziskus: Ansprache vor Jugendlichen in Genua am 27.5.2017. Zitiert nach: http://m.vatican.va/content/francescomobile/de/speeches/2017/may/documents/papa-francesco_20170527_giovani-genova.html (abgerufen am 17.3.2019, 16:00)
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Ratzinger, Joseph: Kreuzweg am Kolosseum 2005. Zitiert nach: http://www.vatican.va/news_services/liturgy/2005/documents/ns_lit_doc_20050325_via-crucis_ge.html (abgerufen: 17.3.2019, 16:00)
(Ansprache in der Ökumenischen Passionsandacht am 20.3.2019, Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf)