Warum der Gründonnerstag „Gründonnerstag“ heißt, wissen wir nicht genau. In anderen Sprachen heißt er ja nicht so. Da heißt er „Heiliger Donnerstag“ oder „Großer Donnerstag“. Manche sagen, Gründonnerstag kommt wirklich von der Farbe „grün“, weil es in der alten Kirche der Tag war, an dem die Büßer wieder in die Kirche aufgenommen wurden, „wie ein grünender Zweig“. So hieß es damals in Anlehnung an das Lukas-Evangelium (23,31). Andere sagen, das „Grün“ in Grün-donnerstag kommt gar nicht von der Farbe, sondern vom mittelhochdeuten Wort: „grinen, greinen“, was so viel heißt wie: „den Mund verziehen“, also meistens „klagen, weinen, schreien“, was auch gut zu den Büßern passen würde. Wenn es von „greinen“ kommt, wäre der Gründonnerstag so etwas wie der Namenstag meiner Familie. Den Mund kann man aber auch verziehen, wenn man jubelt, sich freut, jauchzt. Das wiederum passt auch wieder zu den Büßern, die wieder in die Gemeinschaft aufgenommen sind, weil Jesus sie befreit hat.
Wie auch immer: Der Gründonnerstag ist nicht nur der erste Tag der drei österlichen Tage, dem Höhepunkt unseres Kirchenjahres. Er ist für mich ganz persönlich auch ein ganz wichtiger Tag, weil in ihm ganz deutlich wird, was ein „Diakon“ ist. Wir sind ja gewohnt zu sagen: Am Abend des Gründonnerstags hat Jesus das Sakrament der Eucharistie gestiftet. Und das stimmt ja!
„Jedes Jahr hat Jesus als Jude das Pascha-Fest gefeiert, das Gegenwärtig-Werden, das Vorbeikommen Gottes, der durch den Tod ins Leben führt. Zu den wichtigsten Ereignissen des Volkes Israel gehörte, dass Gott sie aus der Sklaverei Ägyptens gerettet hat, und diese Rettung feierten die Juden jedes Jahr mit einem festlichen Essen in der Familie. Jesus hat es jedes Jahr mit seinen Eltern und später mit seinen Jüngern gefeiert. Und er feiert es auch am Abend vor seinem Sterben. Tradition ist dabei, dass zu Beginn des Essens der Vater ein Brot in Stücke bricht, sie an alle verteilt und dann sagt: Schaut mal! Das ist das Brot der Tränen, das ist das Brot, das wir in der Sklaverei essen mussten. Es erinnert uns an alles Leid, an alle Unterdrückung, an alles Traurige. Und am Ende des Essens reicht der Vater einen Becher Wein herum und sagt: und das, das ist der Kelch der Freude. Gott ist vorbeigekommen und hat uns gerettet. Pascha feiern heißt: Gott kommt vorbei und führt mitten durch den Tod ins Leben. Nicht am Tod vorbei, sondern mitten durch, aus dem Tod ins Leben, aus der Angst in die Freude, aus dem Leid ins Vertrauen. Und das feiert Jesus mit seinen Jüngern am Abend vor seinem Leiden. Aber bei diesem Essen ändert er plötzlich etwas. Er nimmt auch das Brot, wie es Tradition ist, aber spricht nicht den Satz, den sonst die Väter beim Essen sprachen, sondern sagt: Das ist mein Leib, und zum Wein sagt er nicht mehr das, was man traditionell sagte, sondern er sagt: Das ist mein Blut. Das wird morgen am Kreuz für euch vergossen. Morgen am Kreuz geschieht Pascha. Dann kommt Gott vorbei, und führt mich und euch aus dem Tod ins Leben.“ (s.u.) Wenn Jesus „mit seinen Jüngern das Pascha-Mahl feiert, dann geht es genau darum. Vielleicht haben die Jünger aber gar nicht verstanden, was Jesus Ihnen da anvertraute. Das wurde ihnen erst nach der Auferstehung klar. Und da wussten Sie: Wir müssen das immer wieder tun, dieses Vorbeikommen Gottes feiern, in der Eucharistie. So, wie wir es auch heute tun: Christus verspricht uns, dass er anwesend ist, und dass Gott in unserem Leben vorbeikommt“ und für uns da ist (Weihbischof Ansgar Puff, Predigt am 13.4.2022, zitiert nach: https://youtu.be/1vQyYruNDuc).
Bevor er aber mit seinen Jüngern dieses Mahl feiert, macht er noch etwas: Er wäscht ihnen die Füße. Etwas, was in der Antike nur die Diener und Sklaven taten. Freie Herren wuschen anderen nie die Füße. Und er sagt: Das, was ich, der Herr, für euch tue, das sollt auch ihr füreinander tun, einander die Füße waschen. Er, der Herr, wird zum Diener, griechisch: zum Diakon. Und so sollen auch wir einander zu Dienern, zu Diakonen, werden, hier in der Kirche, aber überhaupt auch sonst im Leben. Jedes Mal, wenn wir Eucharistie feiern und uns sein Mahl vergegenwärtigen, seine Hingabe, bis in den Tod, dann sollten wir uns auch an seine Fußwaschung erinnern. Im Grunde müsste man sagen: Es gibt keine Eucharistie ohne Fußwaschung. Nur ist das in unserer Liturgie ein bisschen Vergessenheit geraten. Denn er will auch uns die Füße waschen – und unsere Seelen –, er will auch uns befreien (vom Schmutz) und uns durch den Tod ins Leben führen. Dafür, genau dafür, wird er zum Diener aller, aller Menschen.
Und wir? Wenn wir ganz ehrlich sind, sind wir doch immer so ein bisschen wie der Petrus: „Du, Herr, willst mir die Füße waschen? Das soll nie geschehen.“ Erst, wenn wir verstehen, was Jesus da für uns tun will, dann können wir es auch zulassen. Und wir müssen es zulassen.
4 Denn es geht hier um uns, um unsere Geschichte. Es geht um Liebe ohne Widerruf! Liebe bis in den Tod. Es geht darum, dass auch wir den Weg Jesu mitgehen. Und so heute Kirche sind. Ja, am Gründonnerstag hat Jesus uns die Eucharistie geschenkt. Aber Eucharistie ohne Diakonie ist undenkbar. Denn wir haben einen Gott, der sich bückt, der auch bei uns vorbeikommt und uns die Füße wäscht.
(Predigt in der Messe vom letzten Abendmahl am 14.4.2022 in Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf. Eine wesentliche Passage ist ein direktes Zitat einer Predigt, die Weihbischof Ansgar Puff am 13.4.2022 in der Frühmesse im Kölner Dom gehalten hat. Sie ist als Video veröffentlicht unter: https://youtu.be/1vQyYruNDuc )