Gottes Wort

Evangelium

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Wir feiern heute den „Sonntag des Wortes Gottes“. In der Kirche weltweit hat man den schon letzten Sonntag gefeiert. Nur wir in Deutschland feiern den erst heute, weil heute schon der ökumenische Bibelsonntag ist, und da hat man das sinnvollerweise zusammengelegt. Aber egal, ob nun heute oder letzten Sonntag: Im Grunde feiern wir ja in jedem Gottesdienst das Wort Gottes. Da es ist gut, dass Papst Franziskus für die ganze Kirche vor ein paar Jahren eingeführt hat, dass wir uns nochmals eigens auf dieses „Wort Gottes“ besinnen.

Viele tun sich heute mit dem Begriff eher schwer: „Wort Gottes“. Was ist eigentlich? Und warum nennen wir das, was in der Bibel steht so?

Die Bibel ist ja nicht einfach vom Himmel gefallen. Und Gott hat sie nicht Buchstabe für Buchstabe so diktiert. Sondern: Wie es das II. Vatikanische Konzil so schön formuliert hat: Die Bibel ist „Gotteswort im Menschenwort“(VD 11). Menschen verschiedener Zeiten haben über viele Jahrhunderte hinweg ihre Glaubenserfahrungen und Glaubensüberzeugungen niedergeschrieben. Und das, was sie da aufgeschrieben haben und was dann noch viel später in die Bibel zusammengefasst wurde, das sind keine Reportagen, Nachrichten, Berichte von historischen Fakten. Es sind Glaubenserfahrungen, und die nennen wir Christen: Wort Gottes, weil wir glauben, dass aus ihnen Gott zu uns „spricht“.

In diesen menschlichen Erfahrungen. Aber dass man das natürlich nicht allein wörtlich nehmen darf. Bestes Beispiel ist dann immer die Schöpfungserzählung in sechs Tagen. Es ist auch schon missverständlich, das „Schöpfungsbericht“ zu nennen; es ist eine Glaubenserzählung, und man muss immer wieder versuchen zu verstehen, wie es zu diesen Formulierungen gekommen ist, und jeweils für die eigene Zeit und jeweils auch für sich selbst, den Sinn zu erschließen, wenn man die Bibel ernst nehmen will. Deshalb hat ein großer Bibelwissenschaftler auch einmal gesagt: „Sie müssen sich schon entscheiden: Nehmen Sie die Bibel wörtlich, oder Sie nehmen sie ernst? Beides zusammen geht nicht.“ (Pinchas Lapide)

Ich habe mich irgendwann entschieden, die Bibel ernst zu nehmen, und mich bei jedem Text zu fragen: Was genau will mir dieser Text und will mir Gott durch diese Menschen sagen. Und es gibt ja ganze Bibliotheken von wissenschaftlichen Werken, die uns jedes Wort der Bibel genauestens kommentieren. Und wir müssen immer wieder versuchen, wirklich zu verstehen, was uns in diesem Wort der Schrift und in der Tradition der Kirche zu verstehen gegeben ist. Immer neu.

Zwei Beispiele (eins vom heutigen, eins vom letzten Sonntag):

Jesus sagt uns heute im Evangelium: „Selig, die arm sind vor Gott,
denn ihnen gehört das Himmelreich.
“ Aber in anderen Bibelübersetzungen steht da etwas anderes. Zum Beispiel: Selig, die geistlich arm sind oder die arm im Geiste sind oder: Glücklich, die allein auf Gott vertrauen.

Die jeweiligen Übersetzungen geben dem, was da steht, immer einen eigenen Akzent, manchmal eine ganz andere Bedeutung. Und wir müssen uns immer wieder fragen:  Was sagt das mir? Was sagt das uns heute?
Meint Jesus mich mit dem, was da steht?

Ein zweites Beispiel: Letzten Sonntag hörten wir im Evangelium, dass Jesus sagte: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“. „Kehrt um!“ stand dort. In manchen deutschen Übersetzungen, und auch z. B. in den englischen, steht da gar nicht „Kehrt um“, sondern: „Tut Buße!“ Martin Luther hat das vor allem mit seiner Übersetzung geprägt. „Tut Buße!“; im Englischen: „Repent!“, also: „Bereut!“ Das ist ja etwas anderes als: „Kehrt um!“. In „Kehrt um!“ steckt viel mehr als nur: Buße tun. „Umkehren“ heißt: „den Weg ändern, die Blickrichtung ändern“. Allein mit der Buße habe ich oft den Weg noch gar nicht geändert oder die Blickrichtung, sondern ich habe eben Buße getan, weil ich weiß, dass ich etwas falsch gemacht habe, was ich bereue und versuche, es wieder gut zu machen. Darin besteht ja die Buße. Und sicher meint das auch Jesus, wenn er sagt: „Kehrt um!“ also: Hört auf Schlechtes zu tun! Aber er sagt noch mehr. Im griechischen Original steht da: „meta-noete!“ Und das heißt nun wirklich:
Ändert die Richtung eures Denkens! Denkt anders; denkt größer; weiter! Und nicht nur verengt auf das, was ihr bisher gedacht habt und woraus dann das Schlechte geworden ist. Jesus sagt uns: Ändert euer Leben! „Denn das Reich Gottes ist nahe bei euch.“ Oder wie es heute heißt: Dann seid ihr selig, glücklich. Und wie macht man das? Größer denken? Umkehren?

Indem wir ihm vertrauen. Indem wir seiner Botschaft, seinem Wort, dem Evangelium, vertrauen. Im Markusevangelium heißt die Stelle deshalb ja auch: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Indem wir Jesus glauben, also dem, was sein Wort ist; ändern wir unseren Blick; kehren wir um. Dann ist sein Wort für uns Gottes Wort; denn er ist Gottes Wort. So wie es auch am Anfang des Johannesevangeliums heißt: „Das Wort ist Fleisch geworden, ist Mensch geworden.“ Er ist das Wort, der Geist, der Logos, in dem Gott zu uns spricht. Er! Und wir Christen haben mit allem, was wir glauben, eigentlich nur dieses Wort, das Christus selbst ist. Er selbst ist die Botschaft, das Evangelium. Wenn wir also „Wort Gottes“ sagen, dann meinen wir eigentlich ihn! Jesus, den Herrn. Denn er ist für uns das, was wir von Gott wissen können. Das Einzige. Er ist Gottes Wort. Und dieses Wort sagt: Vertraut mir! Dann habt ihr das Leben in Fülle, dann habt ihr das Himmelreich. Und das mag man für „arm vor Gott“ halten, so wie es heute hier heißt. Ja! Das ist es. Denn es setzt ja nicht auf eigene Kraft, eigenen Erfolg, eigene Überlegenheit. Es setzt allein auf ihn, durch den wir frei werden, glücklich; selig, wie es hier heißt; ja erst wirklich menschlich werden. Und dieses Wort können wir uns nicht selbst sagen. Denn durch ihn erfahren wir: Du brauchst nicht in der Angst um dich selbst zu leben. Von Anfang bis Ende (und darüber hinaus) bist du ganz von Gottes Liebe umgeben. Egal was passiert!

Wenn wir ihn, dieses Wort Gottes, ernst nehmen, und seinen Weg mitgehen, dann ist für uns wirklich das Leben in Fülle, das Himmelreich, schon da.

(Predigt zum 4. Sonntag im Jahreskreis A, 28.1.2023, in Christkönig, Berlin-Lübars, und 29.1.2023, in Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf, sowie St. Hildegard, Berlin-Frohnau)

Bild: privat

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