Wozu Christsein?

Evangelium

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Wozu sind wir eigentlich da? Was machen wir hier eigentlich? Gottesdienst feiern. Natürlich. Jesus feiern. Unseren Glauben leben. Aber warum eigentlich? Doch nicht nur aus Gewohnheit, weil man das nun mal so macht oder weil es jetzt demnächst wieder unsere Pflicht als Katholiken ist, weil da die Sonntagspflicht nach der Pandemie wieder gilt. Christsein ist doch nicht nur eine Vereinsmitgliedschaft, wo man hingeht, weil man Mitglied ist. Man bezahlt schließlich auch dafür. Christsein ist auch nicht nur ein Stück Kultur oder ein schönes Ornament, das unseren Alltag verschönert. Dafür verlangt das Christsein zu viel. Und wir werden immer weniger, zumindest hier in unseren Breiten. Die Kirchenaustritte waren noch nie so hoch wie letztes Jahr. Und sie werden weiter steigen. Da liegt es ja auf der Hand, dass man sich fragt: Wozu sind wir da?

Wir Menschen haben überhaupt die Angewohnheit oder besser die Natur, dass wir uns immer wieder diese Fragen stellen: Wozu sind wir eigentlich da? Warum gibt es uns überhaupt? Für Katholiken war die Antwort darauf einfach: Wir sind dazu da, Gott zu erkennen, ihm zu dienen, und dadurch einst in den Himmel zu kommen (vgl. Katholischer Katechismus. Ausgabe für die Erzdiözese Freiburg. Freiburg: Herder-Verlag, 1956, S. 6). So formulierte es noch zu meiner Kindheit der Katechismus. Und das ist ja auch gar nicht falsch. Nur: Ist das Christsein damit erledigt?

Ich zum Beispiel: Ich gehe brav in die Kirche, ich verrichte meine vorgeschriebenen Gebete. Ich kann aus vollem Herzen sagen: Ich glaube alles, was im Glaubensbekenntnis steht. Und dann? Kann ich mich darauf ausruhen? War’s das?

Gestern war der Geburtstag von Dietrich Bonhoeffer. Der stellte genau diese Frage: War’s das? Oder was macht unser Christsein aus? Und er antwortete, dass Christ zu sein ganz schön anstrengend ist und nichts für Leute, die es sich einfach machen wollen. Und dass es in meinem Christsein schon gar nicht um mich allein geht, nach dem Motto: Mein Gott und ich, mehr brauch ich nicht. Hauptsache, mir und meinem Seelenheil geht’s gut. Bonhoeffer wusste: Christ ist man nie nur für sich selbst. Man kann nicht für sich allein Christ sein. Christen sind wir für andere. Auch die Kirche ist nicht für sich selbst da. Auch wenn es oft so aussieht. Kirche sind wir nur im Da-sein für andere (vgl. Bonhoeffer, Dietrich: Widerstand und Ergebung. München: Chr. Kaiser Verlag, 1998, S. 558 ff., DBW, VIII). Für die, die in Not sind, in Einsamkeit, in Armut, in Krankheit. Deren Leben mitzutragen, das macht unser Christsein aus. Oder wie es heute im Evangelium heißt: Salz der Erde sein, Licht für die Welt. Das sind wir, wenn wir Christen sind. Denn Christus ist es.

Jesus sagt uns: Auf Euch kommt es an. Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Euer Licht kann nicht verborgen bleiben, wenn wir etwas tut und nicht nur redet. Wenn ihr etwas tut. Wenn ihr da seid für Andere; wenn ihr die Last anderer mittragt; wenn ihr ihren Durst und ihren Hunger stillt. „Was wir heute tun, entscheidet, wie die Welt morgen aussehen wird“ (B. Pasternak, zit. nach: Der große Sonntags-Schott für die Lesejahre A-B-C. Hgg. v. d. Benediktinern der Erzabteil Beuron. Freiburg: Herder-Verlag, 1982, S. 377). Daran bemisst sich unser Christsein: Licht zu sein, vielleicht für jemanden, von dem wir es gar nicht wissen; dem wir Hoffnung schenken, Trost, Mitleid in einer erbarmungslosen Welt. Wir sind berufen, für andere da zu sein, so wie Jesus sein ganzes Leben im „Für“ verbracht hat, in der Hingabe für andere.

Das gilt auch innerhalb unserer Kirche: Auf Euch kommt es an, auf jede und jeden einzelnen! Die Kirche kann nicht mehr bloß ein „Heiliges Theater“ sein, das ein paar Wenige aufführen für die vielen Zuschauer. Wir alle sind berufen. So wie es hier im Evangelium steht: Eure guten Taten sollen die Menschen sehen. Alle haben wir Verantwortung; alle sind wir berufen, Christen zu sein.

Wie oft wird heute gefragt, was denn die Kirchen tun müssten, damit sie bei den Menschen mehr ankommen? Und die Antwort ist natürlich: Die Kirchen müssten zeitgemäß werden; sie müssten endlich ihre überkommenden Strukturen ändern. Das ist sicher richtig. Natürlich müssen sich Strukturen ändern, und sie werden sich ändern.

Aber unser eigentliches Problem heute liegt doch viel tiefer: Wieviel Zeit verbringen wir damit, über uns selbst zu reden? Anstatt das zu tun, wozu wir eigentlich da sind: Salz und Licht zu sein. Müssten wir nicht vielmehr von dem reden und das tun, was uns wirklich ausmacht: den Glutkern unseres Glaubens? Anderen helfen, die Last ihres Lebens zu tragen, weil wir uns getragen wissen; für andere da zu sein; ihr Leben heller machen; ihnen Hoffnung geben, und ihnen zu sagen: Ihr müsst nicht in der Angst um euch selbst leben. Gott ist für Euch.

(Predigt zum 5. Sonntag im Jahreskreis A, 05.02.2023, in Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf.)

Bild: privat

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