Jesus hat Mitleid

Evangelium

Morgen ist der Welttag der Kranken, und wie jedes Jahr hat der Papst dazu eine Botschaft veröffentlicht. Daraus will ich Ihnen einen ganz kurzen Abschnitt vorlesen:

„Die Kranken, die Schwachen, die Armen … müssen … im Mittelpunkt unserer menschlichen Achtsamkeit und unserer seelsorglichen Mühen stehen. … Die erste Behandlung, die wir bei Krankheit brauchen, ist eine Nähe voller Mitgefühl und Güte. … Sehen wir auf das Vorbild des barmherzigen Samariters, auf seine Fähigkeit, den Schritt zu verlangsamen und zum Nächsten zu werden, auf die Güte, mit der er die Wunden seines leidenden Bruders versorgt. Erinnern wir uns an diese zentrale Wahrheit unseres Lebens: Wir sind auf die Welt gekommen, weil uns jemand aufgenommen hat, wir sind für die Liebe geschaffen, wir sind zur Gemeinschaft und zur Geschwisterlichkeit berufen. Dieser Aspekt unseres Wesens trägt uns vor allem in Zeiten von Krankheit und Gebrechlichkeit, und er ist die erste Therapie, die wir alle gemeinsam anwenden müssen, um die Krankheiten der Gesellschaft, in der wir leben, zu heilen.“ (https://www.vatican.va/content/francesco/de/messages/sick/documents/20240110-giornata-malato.html)

Ich finde, der Papst hat recht. Und um diese Zuwendung, um dieses Mitleid, von dem Papst Franziskus spricht, geht es hier im Evangelium.

Jesus hatte Mitleid mit dem Aussätzigen. Natürlich kann man den Aussatz hier viel umfassender verstehen als nur als die bakterielle Infektionskrankheit, also Lepra im engeren Sinn. Der Aussatz ist ja auch ein Phänomen, warum der Mensch ausgeschlossen ist, ausgegrenzt, abgesondert. So wie wir es in der ersten Lesung hörten. Diese Reinheitsgebote der Hebräer hatten ja ihren Sinn, um die Gesellschaft, den Stamm, die Gruppe zu schützen. Da ist der äußerliche Aussatz gemeint. Aber hier ist der Aussatz auf jede Form des Ausgeschlossen-, Ausgegrenzt-Seins zu beziehen. So wie es auch der Papst in seiner Botschaft tut. Alle sind gemeint: Die Kranken, die Schwachen, die Armen. Und allen gilt die Zuwendung. Der Kranke hier im Evangelium weiß: Jesus kann mir helfen; er kann mich heilen. Und weil er das weiß, und weil es sich ja bestätigt durch die Heilung, darum erzählt er es dann ja auch bei jeder Gelegenheit. Wir würden es sicher nicht viel anders machen.

Den Ausgegrenzten zugewandt. Für sie da sein. Die Pro-Existenz Jesu haben das die Theologen genannt. Die ganze Botschaft des Evangeliums steckt da drin: Wir sind nicht allein, auch in unserer Krankheit, in unserem Leiden nicht, auch im Ausgegrenzt-Sein nicht. Er ist da. Er ist für uns da. Und er lässt uns Gemeinschaft spüren. Er ist unsere Brücke ins Leben, ins Heil-Sein, gerade in den schweren Zeiten unseres Lebens. Er ist der „archegos tes zoes“, wie es bei Lukas (Apg 3,15) heißt: der Anführer des Lebens, der uns – durch den Tod hindurch – ins Leben vorausgeht. Ihm zu folgen, heißt also den Weg ins Leben zu gehen. Darauf können wir bauen. Und wie der Papst sagt: Unsere Aufgabe ist es, gerade als Christinnen und Christen: diesen Weg zu gehen, für andere mitzugehen und sie mitzunehmen auf dem Weg ins Leben. Ihnen diesen Weg zu eröffnen und nicht zu verbauen, sie nicht auszuschließen und wie Aussätzige zu behandeln. Dass wir uns selbst immer wieder – wie Jesus es tut – die Frage stellen: Was willst Du? Was ist es, was ich Dir tun soll? Wie kann ich Dir helfen? Was brauchst Du im Leben, gerade jetzt? Gerade die, die es schwer haben, und die keinen Wert in ihrem eigenen Leben sehen, die vielleicht den Selbstwert verloren haben. Ihnen zu sagen: Doch, du bist wertvoll; auch als Schwacher, als Armer, auch als Geschundener, oder als alter Mensch. Du bist so unvergleichlich wertvoll. Das zeigt dir Jesus. Er ist der Weg zum Leben.

Wir stehen unmittelbar vor dem Beginn der Fastenzeit. Und wie jedes Jahr frage ich mich: Was soll diese Fastenzeit bringen? Mir bringen? Genau darum geht es doch in der Zeit der Vorbereitung auf Ostern: An Ostern feiern wir den Sieg des Lebens. Dass der Tod nicht das letzte Wort über uns hat. Dass unser Leben nicht im Nichts endet. Niemandes Leben endet im Nichts. Nein, unser Leben hat ein Ziel: Die Fülle des Lebens in Gott. Und wenn die Fastenzeit einen Sinn haben soll; auch heute; dann sicher nicht allein, dass wir ein bisschen abnehmen und erkennen, dass zu viel Schokolade oder Fleisch oder Alkohol ungesund ist. Das ist sicher auch nicht schlecht. Aber es geht doch um mehr. Es geht darum, dass wir auf dem Weg nach Ostern erkennen, worin dieses Leben wirklich besteht. Dass wir erkennen: Mein Leben hat ein Ziel. Und dieses Ziel besteht nicht im Mehr-Haben, Mehr-Besitzen, Mehr-Gelten! Sondern dieses Ziel ist der Herr selbst, der uns sagt: Hab Mitleid! Sei zugewandt und erkenne, wie wertvoll Du bist! Denk größer von Dir! Vertraue Jesus und seinem Weg zum Leben! Denn das meint: „Kehr um und glaub an das Evangelium!

 

(Predigt zum 6. Sonntag im Jahreskreis B, 10.2.2024, in St. Hildegard, Berlin-Frohnau)

Bild: privat

Schreibe einen Kommentar