Der frühere Bischof von Innsbruck, Reinhold Stecher, hat einmal gesagt: „Viele Wege führen zu Gott: einer geht über die Berge.“ Heute gehen wir mit Jesus auf den Berg Tabor. Mit Jesus gehen wir den Weg zum Leben; zur Fülle des Lebens. Nun sind wir schon einen Schritt weiter auf diesem Weg durch die Fastenzeit.
Aber zuvor ein Wort zu einem anderen Berg: Wo Abraham seinen Sohn als Brandopfer darbringen soll; wir haben es heute in der ersten Lesung gehört. Für viele Menschen ist das eine der verstörendsten Stellen in der ganzen Bibel: Was muss das für ein grausamer Gott sein, der will, dass Abraham seinen Sohn tötet, denken sie, zurecht. Sie ist und bleibt verstörend, ein Skandal.
Die Wissenschaft hat viele Erklärungen und Abmilderungen für diese Genesis-Stelle gefunden. Sie sei gar nicht so gemeint: Gott meine hier gar nicht „opfern“, weil im Hebräischen das Wort für „opfern“ und das Wort für „auf den Berg bringen“ dasselbe sei; oder Gott habe nur Abrahams Glauben testen wollen; oder zuerst sei nur von einer „Gottheit“ die Rede, vom „elohim“, der das Brandopfer an Isaak fordere. Erst als der HERR selbst durch den Engel spricht, also der Gott, der einen Namen hat, der „adonai“, sage der: Nein! „Tu ihm nichts zuleide!“ Und das sei das Indiz dafür, dass eben der wahre Gott, Jahwe, die Menschenopfer gerade ausschließe und stattdessen stellvertretend Schafe geopfert werden. Aber wie dem auch sei. Zunächst steht hier eindeutige, Abraham soll seinen Sohn als Opfer darbringen. Die Tradition der Kirche hat das immer wieder gedeutet als Vorausblick auf Jesus Opfer am Kreuz.
Ich kann das Ganze nur auf eine Weise wirklich verstehen: Denn die Begründung für die Verschonung Isaaks steht hier ganz eindeutig – und zwar ganz am Schluss: „Weil du auf meine Stimme gehört hast.“ Das ist es. Darauf kommt es an. Abraham vertraut auf Gottes Wort; er hört auf seine Stimme. Und dieses Vertrauen, dieses Hören auf Gottes Wort, wird nicht enttäuscht. Ich glaube, niemals enttäuscht.
Auch wenn wir heute nicht auf die Berge gehen, sondern hier im Sumpf Berlins und unseres eigenen Lebens stecken, lädt die Fastenzeit auch uns ein, den Weg mit Jesus mitzugehen. Jesus geht nach Jerusalem. Das ganze Markusevangelium. ist eine einzige Wanderung nach Jerusalem, eine Wegbeschreibung. Und das Ziel dieses Weges heißt: LEBEN!
An Ostern feiern wir den Sieg des Lebens. Dass der Tod nicht das letzte Wort über uns hat. Dass unser Leben nicht im Nichts endet. Niemandes Leben endet im Nichts. Nein, unser Leben hat ein Ziel: Die Fülle des Lebens in Gott. Jede und jeder einzelne von uns geht diesen Weg zum Leben gemeinsam mit Jesus. Der Weg führt durch Entsagung, durch Leid und Tod. Ja. Aber er hat ein Ziel. Und dieses Ziel ist kein sinnloses Opfer. Hier steht es am Ende der Erzählung von der Verklärung: Das Ziel ist Auferstehung.
Die Verklärungserzählung klingt ja immer ein bisschen nebelig, numinos. Und die Jünger tun nichts anderes, als wir auch tun würden: Sie fürchten sich. Sind ganz benommen von dem, was sie da erfahren.
Und Petrus tut das, was er eigentlich immer tut: Er stammelt halt etwas vor sich hin. Wahrscheinlich denkt er, das sei klug: „Lasst uns Hütten bauen!“ Hauptsache, wir machen was.
Und dann hören sie, wie bei der Taufe: „Das ist mein geliebter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören.“ Darauf kommt es an. Zunächst nicht aufs Machen! Zuallererst kommt es auf das Hören an; auf Jesus zu hören. Dieser Text zeigt uns: Wir müssen lernen, mehr auf Jesus zu hören, auf ihn, der Gottes Wort ist, quasi Gottes letztes Wort, ein für alle Mal; der uns Gott so zeigt, wie er ist. Der sein geliebter Sohn ist. Auf ihn sollen wir hören, ihm vertrauen, so wie Abraham auf den HERRN vertraut hat. Und wir werden nicht enttäuscht.
Anfang dieser Woche tagte turnusmäßig wieder die DBK, diesmal in Augsburg. Und zur Eröffnung hat der Vorsitzende, Bischof Bätzing eine, finde ich, beeindruckende Predigt gehalten. Ich kann nur empfehlen, sie nachzulesen. Da sagte er: Noch nie war der Vertrauensverlust der Kirche so hoch wie heute. Noch nie waren so viele Menschen enttäuscht von ihn. Noch nie haben so wenige auf die Kirche gehört. Er zitierte die aktuelle Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, an der sich zum ersten Mal auch unsere Kirche teilgenommen hat. Ja, schlimmer noch: Noch nie war so vielen Menschen Gott einfach egal. Uninteressant. Und diese Vielen, die sich abwenden, empfinden das auch nicht als Defizit, als Verlust. „Gott ist [einfach] nicht mehr geläufig.“ Und er fehlt nicht mal. Und diesen gesellschaftl. Großtrend, diese „Entchristlichung und Entkirchlichung“ können offensichtlich auch nicht „durch strukturelle Optimierungsprozesse in der Kirche noch durch Initiativen neuer Evangelisierung einzelner Menschen grundlegend aufgehalten werden,“ so Bischof Bätzing. Im Gegenteil: Die Kirchen verstärken nur die Enttäuschung und die Ablehnung, wenn sie triumphierend auftreten. Das Christsein werde wohl wieder zu dem, was es zu Beginn war: zu einer Alternative zum Mainstream.
Wir werden eine Minderheit sein, und werden immer mehr darauf angewiesen sein, dass man uns einlädt, wenn man uns hören will. Und wir dürfen nicht so tun, als hätten wir das Sagen, als hätten wir Rezepte für alles und jedes, als wüssten wir immer auf alles die Antwort. Wir müssten zu allererst nur „zuhören und mitfühlend sein und Trost spenden“, so Bischof Bätzing.
Denn auch für uns Christen sei Gott immer auch eine Frage und nie nur die perfekte Antwort auf alles. Aber wir vertrauen ihm. Wie glauben ihm, wenn er uns sagt: „Dieser ist mein geliebter Sohn“. Mit ihm gehen wir den Weg zum Leben.
Unsere Aufgabe als Christinnen und Christen ist es einfach nur, dies durch unser ganz normales Leben zu bezeugen. So zu leben, dass andere spüren: Ja, die hat Hoffnung, der hat Vertrauen, die glauben an den Sieg des Lebens, auch wenn es immer wieder schwer ist in den Sorgen und Nöten unseres Lebens; auch wenn wir Furcht haben und oft in der Macht der Angst gefangen sind, so wie es die Jünger auch waren, darauf zu hören und zu vertrauen, dass dieser Jesus uns befreit und zur Fülle des Lebens führt.
(Predigt in der Wort-Gottes-Feier zum 2. Fastensonntag, 24.2.2024, in St. Hildegard, Berlin-Frohnau)
Bild: privat
Vgl. zum Ganzen: https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2024/2024-017-FVV-Augsburg-Eroeffnungsgottesdienst-Predigt-Bi.-Baetzing.pdf