Was ist die Taufe?

Evangelium

Jetzt geht sie wieder zu Ende: die Weihnachtszeit, und es beginnt – nach dem heutigen Fest der Taufe des Herrn – der Alltag, die gewöhnliche Zeit im Jahreskreis des Kirchenjahres. Im Englischen wird sie sogar so genannt: „ordinary time“, gewöhnliche Zeit. Aber so „gewöhnlich“ ist der Alltag gar nicht, wenn wir es schaffen, die Erfahrung von Weihnachten mit hinüberzunehmen aus der Festzeit in den Jahreskreis.  Wenn wir es schaffen, unseren Alltag davon prägen lassen, dass Gott Mensch geworden ist, offenbar geworden ist, erschienen ist in diesem Jesus von Nazareth. Dass Gott also nichts Jenseitiges ist, irgendwo im Numinosen, unendlich weit weg und unerkennbar, sondern dass uns Jesus Gott genau so zeigt, wie er ist.

Dieses Menschwerden, so wie wir Werden, feiern wir deshalb in der Weihnachtszeit auch gleich dreimal: am Weihnachtstag selbst, am 6. Januar, im Fest der Erscheinung des Herrn, und heute, im Fest der Taufe Jesu.

Und das ist auch der wichtigste Aspekt im heutigen Evangelium: In Jesus Christus wird Gott Mensch, der unsichtbare Gott sichtbar, offenbar, begreifbar.

Jesus zeigt uns im Heiligen Geist den offenen Himmel und wird so erkennbar als Gottes geliebter Sohn. Er ist derjenige, auf den Israel über Jahrtausende gewartet hat: der Messias, der Christus. Und wo sich die Juden fragen, ob es nicht vielleicht schon Johannes ist, auf den sie warten, da verweist Johannes auf Jesus als „den Stärkeren“, den Mächtigeren, den Vollkommenen, der nicht nur mit Wasser tauft – zur Umkehr, sondern „mit Heiligem Geist und mit Feuer“ (nichts anderes als ein Bild für den Heiligen Geist).

Und mit Vielen aus dem jüdischen Volk lässt sich Jesus im Jordan von Johannes taufen. Warum eigentlich? Muss er das, wenn er doch der menschgewordene Gott ist?

Diese Frage beschäftigt die Theologen seit Jahrhunderten, und sie finden keine endgültige Antwort. Aus meiner ganz persönlichen Sicht nur so viel: Nein, muss er nicht! Dass er sich dennoch taufen lässt, kann man natürlich als Demutsgeste von Jesus verstehen, um zu zeigen, wie wichtig schon die Taufe des Johannes für das jüdische Volk war und sein konnte. Dass er sich also in eine Reihe stellt mit den Menschen, die so dringend der Umkehr und Reinigung bedürfen. Aber ich finde, so oft, wie hier das Wort „taufen“, „Taufe“ vorkommt (und es kommt in allen vier Evangelien vor), kann man es doch nicht anders verstehen, als dass die Bedeutung der TAUFE selbst hier eigens herausgehoben wird. Von welcher Bedeutung es ist, getauft zu sein. Das würde dann auch zur Situation der frühen Christengemeinden passen und der Notwendigkeit, ihre Gemeinschaften zu stärken: nach innen zu stärken und abzugrenzen nach außen. Und für diese Gemeinden wurden die neutestamentlichen Texte schließlich zunächst aufgeschrieben. Sie bekennen: Die Taufe mit dem Heiligen Geist ist heilsnotwendig. Denn sie allein macht uns zu Christen, zu Christus gehörig, zum Herrn gehörig (kyriakä: die zum Herrn gehören). Sie macht uns zur Gemeinschaft der Glaubenden, zur Kirche (ekklesia): diejenigen, die herausgenommen sind aus den vielen Religionen, und deren Warten auf den Messias erfüllt ist. Deshalb ist die Taufe seit Beginn auch das entscheidende Sakrament in den christlichen Gemeinden, das erste und grundlegende.

Aber was ist eigentlich die Taufe? Ist sie allein das Initiationsritual? Wohl niemand von uns wird sich an die eigene Taufe erinnern, und heute ist es fast schon etwas Besonderes, wenn man den eigenen Tauftag überhaupt weiß und ihn vielleicht sogar als Jahrestag feiert, so wie Papst Franziskus nicht müde wird zu betonen: Feiert Euren Tauftag!

Zur Taufe gehören zwei Dinge: Wasser und Glaube. Ohne Wasser gibt es keine Taufe. Denn Wasser ist nicht nur symbolisch, sondern ganz existenziell eine notwendige Bedingung für alles Leben. Ohne Wasser gibt es kein Leben, und in der Taufe symbolisiert das Wasser, dass Gott uns diese Fülle des Lebens schenken will. Deshalb muss das Wasser über den Täufling fließen und der Taufspender den Satz sprechen: Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Nur so beginnt unser Leben mit Christus in der Kirche. Allerdings bin ich immer etwas unglücklich, wenn ich dann höre: In der Taufe werden wir zu Kindern Gottes. Das ist etwas missverständlich, denn ich finde: Alle Menschen sind Kinder Gottes, jede und jeder einzelne. Wir sind seine Geschöpfe. Aber wir Christen haben das einzigartige Privileg, dass uns in der Taufe dies auch explizit zugesagt wird: Du bist mein geliebter Sohn. Du bist meine geliebte Tochter. Diese Zusage Gottes ist einzigartig, und Gott wird sie, davon bin ich fest überzeugt, niemals widerrufen. Ganz egal, wie unser Leben verläuft, wir sind und bleiben Gottes geliebtes Kind – für immer. Und dieser Glaube ist das zweite, was zur Taufe gehört. Der Glaube der Kirche.

Wasser und Glaube, ohne sie gibt’s die Taufe nicht. Die Taufe ist also nicht nur der Beginn einer „Mitgliedschaft“. Das ist sie auch: der Beginn unseres Lebens als Christ/in in der Gemeinschaft der Glaubenden. Zuallererst aber ist sie die Zusage Gott, sein geliebtes Kind zu sein; nicht in der Ur-Schuld der Menschen stecken zu bleiben; nicht verzweifeln zu müssen; nicht mehr unter der Macht der Angst um sich selbst zu stehen, selbst im Tod nicht, sondern mit Jesus den Weg zum Leben zu gehen.

Papst Benedikt XVI. sagte einmal sehr schön: „Die Taufe ist der Regenbogen Gottes über unserem Leben.“ (1) Unser ganzes Leben ist getragen und umschlossen von der unverbrüchlichen, bedingungslosen Gemeinschaft mit Gott. Wir sind Gottes geliebte Kinder. Wir müssen uns nur lieben lassen. Sonst nichts! Und das befähigt uns, es ebenso mit unseren Mitmenschen zu tun, auch ihnen zu sagen: Du bist geliebt, und auch Du kannst diese Liebe weitergeben. Du kannst selbst ein Segen für andere sein und so, Christ/in nicht nur heißen, sondern sein. Diese Erfahrung wünsche ich uns allen auch im Alltag – gerade nach der Weihnachtszeit, denn wie Mutter Theresa es einmal sagte: „Jedes Mal, wenn wir Gott durch uns hindurch andere Menschen lieben lassen, ist Weihnachten.“ (2)


(1) Benedikt XVI.: Freut euch! Predigten und Meditationen zur Weihnachtszeit, 2007, S. 98.
(2) Vgl.: https://www.kloster-stiepel.de/2013/12/27/weihnachten/

(Predigt in der Wort-Gottes-Feier zum Fest der Taufe des Herrn, 11.1.2025, St. Hildegard, Berlin-Frohnau)

Bild: „Taufe Christi“ von Andrea del Verrocchio und Leonardo da Vinci, Florenz, Uffizien, ca. 1472 (gemeinfrei nach: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8e/The_Baptism_of_Christ_%28Verrocchio_%26_Leonardo%29.jpg)

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