Seid stimmig!

Evangelium

Nachdem bereits an den letzten Sonntagen die Bergpredigt Jesu im Mittelpunkt des Evangeliums stand, zuerst die Seligpreisungen, dann (letzten Sonntag) die Aufforderung, dass wir Salz der Erde und Licht für die Welt sein sollen, geht es in Jesu Predigt im heutigen Evangelium nun um sehr konkrete Gebote und Verbote: Zorn, Ehebruch, Meineid. Und man hat das Gefühl: Jesus stellt da ziemlich radikale Anforderungen.

Seine Forderungen hängt er jeweils an den jüdischen Gesetzen seiner Zeit auf, wie sie die Tora und die Propheten vorschreiben, und dazu sagt er: Ich hebe diese Gesetze nicht auf. Ich bin ihre Erfüllung. Er sagt also von sich: Ich gebe euch nicht irgendein neues Gebot oder Verbot. Ich bin vielmehr der, auf den das ganze jüdische Gesetz hinweist, auf den es zuläuft: ich bin gekommen, um Gottes Bund mit euch zu erfüllen. Er begegnet seinen Zeitgenossen also so, dass sie ihn einordnen können in ihr moralisches Koordinatensystem. Denn die Juden seiner Zeit hatte eine Fülle von ganz konkreten moralischen Geboten und Verboten, die sie erfüllen mussten und erfüllen wollten, wenn sie den Bund mit Gott aufrechterhalten wollten; wenn sie also ins Himmelreich kommen wollen, wie es im Evangelium heißt. Und Jesus sagt ihnen: Ja, diese Gebote gelten für euch. Aber wenn ihr meinem Weg folgen wollt, gilt sogar noch mehr. Wenn euer Leben nicht noch viel mehr in Gottes Gerechtigkeit wurzelt als all‘ diese Gebote, dann nützt euch das alles nichts.

Das ganze peinlich genaue Einhalten aller Vorschriften nützt nämlich nichts, wenn ihr nur auf ihre äußerliche Einhaltung achtet und in euch selbst dennoch schlechte Gedanken habt, wenn ihr also schlecht über Mitmenschen denkt, sie heimlich verflucht, eine andere Frau oder einen anderen Mann heimlich begehrt (natürlich ist hier nur die männliche Perspektive genannt), oder wenn ihr zum Beispiel Meineide schwört. Wenn ihr eure Moral nur nach außen anwendet und nicht in eurem Innern, nützt die gar nichts, denn dann seid ihr nicht besser als all’ die Pharisäer und Schriftgelehrten, die das genauso tun.

Was Jesus hier fordert, ist doch nichts anderes als, dass wir ehrlich zu uns selbst sind, dass unser Denken und Handeln stimmig sind, dass unser Gewissen stimmt. Dass wir also nicht nur äußere Vorschriften einhalten, sondern auch im Innern zu dem, was wir tun, stehen und stehen können. Nur wenn das der Fall ist, können wir sagen, dass wir in Gottes Gerechtigkeit leben.

Und wie oft ist das nicht der Fall? Wie oft denken wir schlecht über andere? Nicht reden, tratschen, nicht herziehen, nur schlecht denken! Wie oft machen wir uns selbst besser als andere?

Was bringt zum Beispiel das genaue Einhalten kirchlicher Vorschriften, wenn unser Herz kalt ist gegenüber dem Anderen und seiner Not. Alle kirchlichen oder biblischen Vorschriften sind doch keine To-Do-Liste, die wir nur abhaken müssen; dann klappt das schon mit dem Himmelreich. Jesus sagt uns hier: Das allein genügt noch gar nicht. Denn in allen Einzelaussagen geht es doch immer um die eine Wirklichkeit unserer Gemeinschaft mit Gott. Und die besteht eben darin, seinen Weg, den Weg Jesu mitzugehen, seinen Weg der Liebe und Barmherzigkeit. Also statt Zorn: Versöhnung, statt Begehren: Absehen von sich selbst, statt Eid und Schwur einfach: Wahrhaftigkeit, statt Vergeltung: Gewaltlosigkeit. Jesus sagt uns: Lebt so, dass ihr in Gottes Gerechtigkeit steht! Lebt diesen Bund mit Gott nicht nur äußerlich, lebt ihn als ganze Menschen! Dann seid ihr frei, dann seid ihr stimmig dann seid ihr in der Fülle des Lebens.

(Predigt in der Wort-Gottes-Feier zum 6. Sonntag im Jahreskreis A, 11.02.2023, in St. Hildegard, Berlin-Frohnau)

Bild: privat

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