Unglaublich?

Evangelium

Im Evangelium hören wir heute den sog. „Heilandsruf“. Jesus preist Gott, den Vater, weil er etwas schier Unglaubliches tut; etwas, das er „vor den Weisen und Klugen verborgen und den Unmündigen offenbart“ hat. Und was? Eben, dass sich Gott in diesem Jesus offenbart, dass er Gott kennt, und zwar genau so, wie er ist. Gott wird sichtbar in Jesus. Eigentlich etwas Unglaubliches! Und wie vielen geht es heute so, dass sie gerade das für unglaublich halten? Wie oft geht es uns selbst so?

Gottes Selbstmitteilung, das ist Jesus, nicht mehr und nicht weniger. Und das sollen wir glauben? Für „die Weisen und Klugen“, gemeint sind die Gelehrten, die Philosophen der Antike, ist das völliger Unsinn; und für die frommen Juden ist es schlichtweg ein Ärgernis, dass Jesus das von sich selbst sagt. Auch heute wird jemand, der wissenschaftlich etwas auf sich hält, mit einigem Recht sagen: Gott ist doch unerkennbar, jenseits aller unserer Erkenntnismöglichkeiten. Er übersteigt unseren Verstand, ist jenseits all dessen, was wir in dieser Welt vorfinden, eben transzendent. Gott kann nicht erkannt werden allein mit den Mitteln unseres Verstandes, weil er kein Teil unserer Welt ist. Er ist kein Teil der Schöpfung, also von all dem, was ist. Denn Gott hat alles, was ist, geschaffen. Nichts ist ohne ihn.

Doch Jesus sagt von sich, er zeige uns Gott, so wie er ist. Wir finden Gott, wenn wir ihm, Jesus, glauben. Das ist nicht gerade einfach. Dazu braucht es „Demut und Güte“, wie es im Evangelium heißt. Dazu muss man bereit sein, Jesus Vertrauen zu schenken. Das meint er mit seinem „Joch“, das man auf sich nehmen muss. Es meint nicht, dass man sich kasteien muss, knechten und unterwerfen. Wir sind heute weit weg von solchen Begriffen wie „Joch“, weil die meisten von uns einfach keine Beziehung mehr haben zu dieser einfachen Landwirtschaft. Wir verstehen es nur als Unterwerfungsinstrument. Aber ein Joch ist etwas, das es einem erst ermöglicht, eine Last zu tragen, den Karren zu ziehen, der sonst viel zu schwer wäre. Jesu Joch, eben das Vertrauen in ihn, ist leicht, sagt er. Aber nur es, dieses Vertrauen in ihn, lässt uns den Vater erkennen, wie er ist.

Wir leben in einer Zeit, wo all das nicht leicht zu akzeptieren ist. Aber wahrscheinlich war es das noch nie. Es braucht eben diese Demut, nicht allein auf die eigene Macht, auf die eigene Stärke, allein auf die eigene Erkenntnis zu setzen, sondern zu vertrauen, Jesus zu vertrauen.

Wenn letztes Jahr über eine halbe Million Menschen allein in Deutschland aus unserer Kirche ausgetreten sind, dann doch nicht allein wegen der Missbrauchsfälle oder wegen der Kirchensteuer oder wegen des Reformstaus oder wegen Kardinal Woelki oder so. Das alles spielt sicher eine enorme Rolle. Keine Frage! Und dass viele Menschen die Kirche für vorgestrig halten auch. Nebenbei: Die Kirche tut oftmals auch viel dafür, Menschen von heute eher abzuschrecken als einzuladen. Aber all das bringt höchstens das Fass zum Überlaufen, den Schritt zum Austritt auch wirklich zu vollziehen. Aber der Grund liegt viel tiefer.

Wenn es morgen Frauen als Priester geben würde, und der Zölibat wäre abgeschafft, und Kardinal Woelki würde abdanken, was sich sicher viele wünschen, dann wären doch nicht alle Probleme gelöst. Ich wette sogar, es würden nicht viel weniger austreten als jetzt. Der Grund liegt also viel tiefer. Der tiefere Grund ist, dass die Wenigsten hier bei uns es heute schaffen, dieses Vertrauen aufzubringen, diesen Sprung in den Glauben, dass es dieser Jesus ist, der uns Gott genau so zeigt, wie er ist.

Dass Christ und Christin zu sein eben nicht nur Mitgliedschaft in einem Verein ist, der Geld kostet und aus ziemlich unfähigen Menschen besteht, sondern dass es eine existenzielle Bedeutung für mich hat; dass ich mein Leben auf diesen Jesus setzen kann und mein Sterben; dass er allein wirklich das Ziel meiner Seele sein kann, wie er sagt; dass er es ist, der uns aus der Macht der Angst um selbst befreit, und er mir die Augen öffnet dafür, „was Gott für mich tut und wie er mich liebt (vgl. Benedikt XVI: Deus caritas est, 18.).

Und wer ist dieser Gott, den Jesus Christus uns zeigt? Jedenfalls kein Gott der Übermenschen; kein Gott, der nur die Reichen und Erfolgreichen kennt; kein Gott, der jenseits des geschundenen Menschen wäre. „Es ist die Revolution des Christentums, dass wir von Gott gar nicht reden können ohne die Menschen, ohne die Einsamen, die Kranken, die Verwundeten“ (Kard. Reinhard Marx), und dafür muss man nicht klug und gelehrt sein, sondern einfach nur gütig und von Herzen demütig, so wie Jesus selbst es ist.

 

(Predigt in der Wort-Gottes-Feier zum 14. Sonntag im Jahreskreis A, 8.7.2023, in St. Hildegard, Berlin-Frohnau)

Bild: privat

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