Das Licht der Weihnacht

Joh 1, 1-18

Wenn ich die Worte des Anfangs des Johannes-Evangeliums höre, fühle ich mich immer irgendwie überwältigt. Sie klingen sehr triumphal und natürlich sehr abstrakt und sehr philosophisch, sehr erklärungsbedürftig. So ganz anders als die romantische Erzählung von der Geburt, die wir Heiligabend hören und in der wir uns emotional so leicht wohl fühlen und wiederfinden können.

Im Anfang war das Wort“ – und dieses Wort, der Logos, ist Gott. Das übersteigt unsere gewöhnlichen Lebensverhältnisse doch bei weitem.

Der Logos, der in die Welt kommt. Und die Welt erkennt nicht, wer er ist. Und dieser Logos soll genau das Kind im Futtertrog sein, von dem am Heiligen Abend die Rede war?

Also müsste man wohl darüber predigen, dass Gott, der Schöpfer von allem; ohne den nichts ist; dass er in die Welt kommt. Man müsste über das Kind predigen, das zu uns kommt in Armut, von der Welt vergessen, so ganz anders, als die vielen romantischen Krippendarstellungen es uns glauben machen; oder darüber, wie unvorstellbar das ist, dass Gott Mensch wird; oder darüber wie groß Gott ist und wie klein er sich macht, und wie groß das den Menschen macht.

Man könnte auch darüber predigen, wie das alle mythologischen Vorstellungen der Antike über Bord wirft. Dass es eben nicht so ist, dass Gott sich quasi eine menschliche Frau nimmt und mit ihr ein Kind zeugt. So wie in den antiken Religionen.

Über die Menschwerdung Gottes müsste man predigen: Warum eigentlich Gott Mensch wird? Und welche philosophischen Implikationen das hat, und warum gerade zu dieser Zeit und gerade in Bethlehem? Warum er gerade in Jesus menschliche Gestalt annimmt? Und ob es eine Bedeutung hat, dass Gott als Mann Mensch wurde?

Aber man könnte auch über die Freude predigen und den Jubel des Jesaja-Buchs, den wir eben gehört haben: über den König, der kommt und Jerusalem erlöst. Und dass dieser König eben kein mächtiger Herrscher mit Soldaten und Waffen ist; der die Tyrannen stürzt und die Juden endlich befreit; sondern im Gegenteil: dass der König als ein Kind kommt, verletzlich; arm unter Armen; hilfsbedürftig. Und was das zu bedeuten hat. Und welche ideologischen Konsequenzen das alles hat.

Aber unser Glaube als Christen ist nicht Ideologie, zumindest sollte er das nicht sein. Wir glauben eben nicht an eine Idee oder ein System von Ideen, sondern wir glauben an eine Person. Wir glauben dieser einen Person, der als Kind in Bethlehem zur Welt gekommen ist: Jesus von Nazareth.

Deshalb möchte nur diesen einen Impuls geben:

Dieses Jahr Weihnachten zu feiern ist für viele nicht leicht, und für viele ist es mit Leid und Trauer verbunden. Viele sind in Sorge und Angst Damit müssen wir sensibel umgehen. Vieles mussten wir ändern.

Aber der Kern von Weihnachten wird deshalb nicht anders. In seiner befreienden und beschenkenden Botschaft von der Liebe Jesu bleibt Weihnachten immer gleich. Denn Gott wird ja Mensch als dieses hilfsbedürftige Kind, damit wir Menschen Gottes Kinder sein können, und er wird es täglich neu, wenn wir unsere Herzen seiner Liebe öffnen.

Diese Liebe all‘ denen, die in Not sind, weiterzugeben, ist – nicht nur an Weihnachten, aber gerade da – unsere wesentliche Aufgabe.

Weihnachten heißt: das Licht dieser Liebe kommt zu uns, zu uns allen. Geben wir dieses Licht Jesu Christi weiter! Werden wir selbst zum Licht für andere!

Es ist für sehr viele eine schwere Zeit. Wie viele erleben gerade echte Not? Dass Gott sich uns Menschen zuwendet, für uns da ist, einer von uns wird, hat für uns heute doch vor allem die eine Bedeutung: Dass wir uns den Anderen eben genauso liebend und barmherzig zuwenden. Dass wir dieses Evangelium der Barmherzigkeit und Zärtlichkeit selbst leben. Dass wir selbst so werden: „Mach’s wie Gott, werde Mensch!“

(Predigt am Hochfest der Geburt des Herrn, 25.12.2020, Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf)

Bild: ‚Das Licht der Weihnacht’ von Christel Holl, ©️ Beuroner Kunstverlag

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