“Geliebt lieben”

Evangelium

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Heute sind viele Kinder und ihre Familien da, die gestern Erstkommunion feierten. Deshalb auch von mir zunächst einmal: ganz herzliche Glückwünsche zu Eurer ersten heiligen Kommunion!

Das ist schon etwas ganz Besonderes; und wir Erwachsenen können es uns fast gar nicht mehr vorstellen, wie besonders diese Begegnung mit Jesus in der ersten Kommunion ist.

Jesus ist bei uns. Er ist ganz da. Er ist für uns da und er schenkt sich uns unter der Gestalt dieses winzigen Stücks Brot. Er ist da. Gott ist da für uns. Hier und Jetzt. Eigentlich unglaublich: Wir können Gott begegnen, ihn anfassen, ihn in uns aufnehmen. Er lässt uns nicht allein. Eine schier unfassbare Vorstellung und doch der Kern unseres Christseins.

Nicht nur für uns moderne, aufgeklärte Menschen ist das unvorstellbar. Auch für die ersten Christen war das so. An den letzten Sonntagen haben wir immer wieder im Evangelium gehört: Jesu sagt es seinen Jüngern, und er sagt uns: Ich gehe zwar fort. Ich gehe zum Vater, und ihr werdet mich nicht mehr sehen, aber ich bleibe doch bei Euch.  Jesus sagt uns: Auch dann, wenn ihr mich nicht mehr seht, lasse ich euch nicht als Waisen zurück. Ich bleibe bei euch. Ich schenke Euch meinen Geist. Den Geist der Wahrheit.

Wir dürfen das Wort „Wahrheit“ hier nicht falsch verstehen. Heute verstehen wir Wahrheit immer nur im Sinne von „Richtigkeit“. Etwas ist richtig oder falsch. Wenn es richtig ist, ist es wahr. Das antike griechische Wort für Wahrheit meint aber mehr: a-letheia steht da: Un-verborgenheit; letztlich das, was unser Wort „Offenbarung“ meint: Durchschaubarkeit. Transparenz. Etwas, das wahr ist, ist unverborgen, offen, offenbar, transparent. Jesu Geist macht das Verborgene, nämlich Gott, sichtbar; und sein Geist macht Gott so sichtbar, wie er wirklich ist. Nämlich als der Gott, der uns liebt, der für uns da ist: ohne jedes Wenn und Aber, ohne Vorleistung, ohne Einschränkung. Der Evangelist Johannes wird dann später schreiben:
Gottes Geist, Jesu Geist, lässt offenbar werden: Gott ist Liebe. Das Wesen Gottes, des Vaters, ist es zu lieben, nicht anderes, und zwar zuallererst den Sohn. Und diese Liebe des Vaters zum Sohn: das ist der Heiligen Geist. Und in diesem Geist spüren wir, dass auch wir hineingenommen sind in diese unendliche, masslose Liebe. Dass seine Liebe auch uns gilt, und der ganzen Schöpfung – ausnahmslos. Schon immer und für immer.

In der zweiten Lesung haben wir heute gehört, dass wir als Christen die Aufgabe haben, jederzeit allen Rede und Antwort zu stehen, die uns nach unserer „Hoffnung“ fragen. Im Grunde ist das unsere einzige Mission als Christen: Wenn uns jemand fragt: „Welche Hoffnung hast du?“, dann sollen wir Rede und Antwort zu stehen. Übrigens interessanterweise dann, wenn uns jemand fragt; nicht ungefragt; nicht zwanghaft missionarisch. Und was ist dann die Antwort?

Genau das: Dass die ganze Schöpfung hineingenommen ist in die Liebe Gottes. Gott liebt uns – jede und jeden einzelnen von uns. Egal wer wir sind, egal wie wir sind. Und er will von uns eigentlich nur eins: Dass wir uns lieben lassen; und dass wir diese Liebe selber weitergeben. Ich weiß, wie schwer das ist. Wie schwer das zu glauben ist, dass ich geliebt bin. Dass Gott nicht anderes will, als mich zu lieben. Weil das sein Wesen ist. Und dass Jesus seinen ganzen Lebensweg nichts anderes getan hat, als diese Liebe Gottes allen Menschen zu schenken; bis zum Äußersten, bis zum Tod, bis zum Kreuz. Auch wenn die Welt das nicht erkennt, wie es hier heißt.

Ich weiß, wie schwer es ist, sich geliebt zu wissen, bei all dem, was einem im Leben so widerfährt. Und wie schwer es ist, diese Liebe selbst weitergeben zu können. Also einfach sich geliebt wissend zu lieben.

Wieviel hat gerade die Kirche dazu beigetragen hat, dass so viele dieser Liebe eben nicht vertrauen können? Wieviel Schindluder wurde und wird mit dem Begriff Liebe getrieben? Wo es eben nicht um Liebe, sondern um Herrschaft, um Macht über andere, um Gewalt, physische wie vor allem psychische Gewalt geht. All das spüren wir gerade heute sehr deutlich.

Doch ich vertraue fest darauf: Gottes Geist der Wahrheit wird sich durchsetzen. Er macht transparent, worauf es ankommt. ER ist es, der uns die Hoffnung schenkt, die wir zum Leben brauchen: dass wir geliebt sind.

Wenn wir nächste Woche wieder die Himmelfahrt Christ feiern und danach dann Pfingsten, dann können wir genau das spüren: Wir sind nicht allein gelassen. Wir sind in Gottes unendliche Liebe hineingenommen. Und sie allein befreit uns aus der Angst um selbst, aus allem, was unser Leben unfrei macht. Gottes Geist der Liebe führt uns zu einem Leben in Fülle.

(Predigt zum 6. Sonntag der Osterzeit A, 13./14.5.2023, in Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf, und St. Hildegard, Berlin-Frohnau)

Bild: privat

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